Arbeitsvertragsrecht - LAG Hamm, Urteil vom 17.05.2021, 18 Sa 1124/20

Gebot fairen Verhandelns bei Aufhebungsverträgen

Fachbeitrag
Arbeitsrecht

Nach der Rechtsprechung des BAG ist bei Abschluss von Aufhebungsverträgen das Gebot des fairen Verhandelns zu beachten. Darüber, was fair ist, gehen die Meinungen naturgemäß weit auseinander. Die Anwesenheit eines Juristen jedenfalls macht ein Gespräch nicht unfair – auch wenn die Klägerin in einem aktuellen Rechtsstreit das anders sah.

In dem vom LAG Hamm am 17.05.2021 entschiedenen Fall wurde der Klägerin, die im Verkauf bei der Beklagten beschäftigt war, vom Geschäftsführer der Beklagten und dessen Rechtsanwalt vorgeworfen, Einkaufspreise in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert zu haben. Das Gespräch und auch der Vorwurf wurden der Klägerin nicht vorab angekündigt. Die Klägerin unterschrieb nach einer etwa zehnminütigen Gesprächspause einen Aufhebungsvertrag. Mit ihrer Klage machte sie anschließend die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages wegen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns geltend.

Dieses Gebot wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss des Aufhebungsvertrages erheblich erschwert oder unmöglich macht.

Mit dieser Begründung hatte beispielsweise das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit Urteil vom 19.05.2020 einen Aufhebungsvertrag für unwirksam erklärt. Der Arbeitgeber hatte durch gravierende Kritik an dem Arbeitnehmer eine erhebliche psychische Drucksituation geschaffen. Der Arbeitnehmer war arbeitsunfähig erkrankt, völlig verzweifelt und nervlich angespannt. Am Folgetag führte der Arbeitgeber mit ihm ein Gespräch über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Er hatte in diesem sehr kurzen Gespräch keine Gelegenheit, sich zu beruhigen und einen klaren Gedanken zu fassen. Eine Bedenkzeit lehnte der Arbeitgeber ab. Der unter diesen Umständen geschlossene Aufhebungsvertrag war nach Auffassung des LAG nichtig.

Im Gegensatz dazu hat das LAG Hamm im Ausgangsfall angenommen, der Aufhebungsvertrag sei nicht unter Verletzung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen und damit wirksam. Insbesondere habe die Beklagte durch die Hinzuziehung ihres Rechtsanwalts zu dem Gespräch nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns verstoßen. Die Beklagte habe als Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse an der Anwesenheit eines arbeitsrechtlichen Beistandes. Dies gelte gerade dann, wenn dem Arbeitgeber die Rechtspflicht auferlegt wird, fair zu verhandeln. Es liege auch kein Verstoß darin, dass dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit gegeben wurde, einen eigenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Ferner stelle das Vorlegen eines Aufhebungsvertrages, der nur sofort abgeschlossen werden kann, und mit der (zulässigen) Drohung verbunden sei, ansonsten eine fristlosen Kündigung auszusprechen und Strafanzeige zu stellen, ebenfalls keinen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns dar.

Praxistipp

Das Urteil des LAG Hamm ist zu begrüßen. Allerdings ist die Revision gegen dieses Urteil bereits beim BAG anhängig.

Naturgemäß handelt es sich bei der Bewertung einer psychischen Drucksituation immer um Einzelfallentscheidungen. Arbeitgeber sollten aber auch in Zukunft darauf achten, bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge objektiv erkennbare physische oder psychische Schwächen des Arbeitnehmers nicht auszunutzen. Im Zweifel kann das Hinzuziehen eines Betriebsratsmitgliedes helfen, Drucksituationen zu mildern und das Gleichgewicht wieder herzustellen.

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