Bei der Regelung der (vorweggenommenen) Erbfolge spielen immer wieder auch steuerliche Überlegungen eine wesentliche Rolle. Immobilien nehmen dabei häufig eine Sonderrolle ein, da sich aufgrund der für sie geltenden besonderen Vorschriften – man denke etwa an die Grunderwerbsteuer oder die sog. Spekulationsfrist in der Einkommensteuer – vielfach sowohl Gestaltungsoptionen als auch Fallstricke ergeben.
Über eine solche Gestaltungsvariante hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 23.04.2021 (Az.: IX R 8/20) entschieden – zugunsten der Steuerpflichtigen.
Der Sachverhalt
Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Steuerpflichtige eine Immobilie, die noch nicht 10 Jahre in ihrem Eigentum stand und bei der ein etwaiger Veräußerungsgewinn deshalb nach § 23 EStG steuerpflichtig gewesen wäre, an ihre beiden (volljährigen) Kinder verschenkte. Mit notariellem Kaufvertrag vom selben Tag veräußerten diese die Immobilie an einen fremden Dritten. Die Verhandlungen über den Kaufvertrag hatte dabei allein die Steuerpflichtige geführt. Der Kaufpreis floss an die Kinder, die diesen als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 23 EStG versteuerten.
Die auf den Veräußerungsgewinn zu zahlende Einkommensteuer war jedoch aufgrund der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse deutlich geringer, als wenn die Steuerpflichtige die Veräußerung selbst vorgenommen (und den erhaltenen Kaufpreis sodann ihren Kindern geschenkt) hätte. (Zusätzliche) Grunderwerbsteuer fiel für die Veräußerung an die Kinder aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses nicht an. Allerdings fielen zusätzliche Notarkosten an.
Das Finanzamt hat dieses Vorgehen als sog. Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO gewertet und den Veräußerungsgewinn deshalb nicht zu den Einkünften der Kinder sondern zu den Einkünften der Steuerpflichtigen gezählt. Das Finanzgericht Nürnberg hatte diese Auffassung in erster Instanz noch bestätigt. Dem widersprach der BFH in seiner o.g. Entscheidung.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH hat entschieden, dass die von der Steuerpflichtigen und ihren Kindern gewählte Gestaltung steuerlich anzuerkennen ist.
Grund dafür sei, dass nach § 23 EStG im Falle einer Schenkung der vom Schenker begonnene 10-Jahres-Zeitraum (sog. Spekulationsfrist) vom Beschenkten „weitergeführt“ werde. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. Ohne diese Regelung könnte sich der Schenker nämlich darauf berufen, dass er das Objekt nicht im steuerlichen Sinne veräußert habe und der Beschenkte darauf, dass er das Objekt nicht im steuerlichen Sinne angeschafft habe. Es würde dann bei beiden an einem Merkmal des Steuertatbestands fehlen, sodass ein Veräußerungsgewinn bei keinem von beiden besteuert werden könnte.
Wenn aber bereits eine (besondere) gesetzliche Regelung zur Missbrauchsvermeidung eingreife, sei grundsätzlich kein Raum mehr für eine Anwendbarkeit der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 42 AO.
Der BFH hat außerdem im vorliegenden Fall keine Umstände festgestellt, die dazu führen, dass ausnahmsweise trotzdem ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO anzunehmen sei. Dies ist vor allem deshalb interessant, weil hier einige Besonderheiten vorlagen, die in der Vergangenheit (in anderen Konstellationen) schon zumindest als Indiz für eine missbräuchliche Gestaltung herangezogen wurden. Dabei ist etwa an die Führung der Verkaufsverhandlungen allein durch die Steuerpflichtige und die taggleiche Schenkung und Veräußerung zu denken.
Zur geringeren Steuerlast (und dem damit höheren Betrag, der den Kindern nach Steuern schließlich verbleibt) weist der BFH lediglich auf die Berechtigung eines jeden Steuerpflichtigen hin, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine geringere steuerliche Belastung ergibt. Das Bestreben, Steuern zu sparen, mache eine Gestaltung für sich genommen noch nicht zu einer unangemessenen bzw. missbräuchlichen i.S.d. § 42 AO.
Allerdings hat der BFH offengelassen, ob etwa außergewöhnliche Umstände im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung oder dem Vertragsinhalt im Einzelfall dazu führen können, dass eine solche Gestaltung ausnahmsweise doch als Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO zu bewerten oder nach anderen Vorschriften steuerlich nicht anzuerkennen ist.