Gesundheitsversorgung
Begrenzt schrumpfbar
Krankenhäuser sind Unternehmen und haben als solche das Kartellrecht zu beachten. Das wird bei Fusionen, die angesichts einer neuen Bertelsmann-Studie geradezu wünschenswert sind, besonders relevant.
Mit Blick auf den allseits bekannten Kostendruck und Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen denken viele an Kooperationen und Fusionen von Krankenhäusern. Zuletzt fanden sich in der Tagespresse Hinweise, dass möglicherweise jede zweite Klinik geschlossen werden müsse, plakativ zum Ausdruck gebracht durch Überschriften wie „Zerstörung von sozialer Infrastruktur“ oder „Mein Dorf, mein Krankenhaus“. Ergänzend dazu ließ vor einigen Wochen eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aufhorchen.
Danach seien von den derzeit fast 1400 allgemeinen Krankenhäusern weniger als 600 erforderlich. Die verbleibenden sollen größer und qualitativ besser werden. Ausschlaggebend sei nicht nur die schnelle Erreichbarkeit eines Krankenhauses, sondern die Behandlungsqualität, die nur durch eine hinreichend große Zahl an Eingriffen durch den jeweiligen Arzt oder dessen Team zu sichern sei. Von den 38 Krankenhäusern Kölns sollen der Studie zufolge nur einzelne die vorgegebenen Mindesteingriffszahlen erfüllen. Die Krankenhäuser sollten ihre Kompetenzen bündeln und wachsen; 14 Standorte mit breitem Leistungsspektrum würden genügen.
Die Überlegungen der Bertelsmann-Wissenschaftler vermögen zunächst zu überzeugen, zeigen aber zugleich ein Misstrauen in wettbewerbliche Prozesse, wenn nicht gar ein übersteigertes Vertrauen in zentralistische Planung und Steuerung. Unstreitig ist jedoch, dass diese Erwägungen im Lichte des Kartellrechts betrachtet werden müssen. Der Krankenhaus-„Markt“ ist nun einmal ein Markt unter daran teilnehmenden Wettbewerbern. Durch diesen sollen auch im Sinne der Verbraucherwohlfahrt Qualität, Innovation und Effizienz von Behandlungen gesteigert werden.
Auf den unterschiedlich abzugrenzenden Krankenhausmärkten ist nicht die Krankenkasse, sondern der Patient Nachfrager nach stationärer Behandlung. Er wählt seine Klinik anhand der fachlichen Qualifikation der Ärzte und des Pflegepersonals, der Ausstattung, der Organisation der Abläufe, der Unterbringung sowie der Verpflegung aus und schließt einen Krankenhausvertrag ab. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt der Zusammenschluss von Krankenhäusern der Fusionskontrolle. Das damals angedachte Vorhaben wurde untersagt, weil es zu einer zu hohen Konzentration auf dem „Markt“ für akutstationäre Krankenhausdienstleistungen geführt hätte. Die Anwendbarkeit des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wird weder durch § 69 des Fünften Sozialgesetzbuchs noch durch Vorschriften der Krankenhausgesetze ausgeschlossen. Betreiber von Krankenhäusern sind als Unternehmen Adressaten des Kartellrechts. Selbst wenn das beabsichtigte Gesundschrumpfen der Krankenhausanzahl tatsächlich der Behandlungsqualität dienen sollte, muss das Kartellrecht beachtet werden.
Die Bertelsmann-Studie legt eine Zentralisierung der Krankenhausversorgung nahe, die derzeit oft nicht im Wege vollständiger Zusammenschlüsse oder Übernahmen, sondern durch Verbundbildungen entsteht. Nicht nur private, sondern auch kommunale sowie kirchliche Kliniken stehen im Wettbewerb untereinander und verfolgen, wenn auch in unterschiedlichem Maß, wirtschaftliche Ziele. Zuletzt hat das Bundeskartellamt im April 2019 einen geplanten Zusammenschluss zweier Krankenhäuser in Köln kritisch bewertet – das ist die Region, die in der Bertelsmann-Studie herangezogen wird. Einem der beteiligten Unternehmen kam bereits vor der geplanten Fusion bei den untersuchten verschiedenen Märkten eine beherrschende Stellung mit Marktanteilen von über 50 Prozent zu. Die Unternehmen nahmen daraufhin die Anmeldung zurück.
Bei der Bewertung der Vorschläge darf man sich außerdem nicht auf die Beurteilung der Zusammenschlusskontrolle beschränken. Das Kartellverbot ist ebenfalls zu beachten. Wenn sich „Unternehmen“, die in Wettbewerb zueinander stehen, über ihre sachlichen Tätigkeitsbereiche (Spezialisierung, Fallzahlen, Gerätenutzung) abstimmen, können sie dagegen verstoßen.