Der EuGH hatte am 14.05.2019 entschieden, dass Arbeitgeber in Befolgung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie verpflichtet sind, verlässliche Systeme zu schaffen, mit denen die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers erfasst wird. Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind umstritten. Grundsätzlich bedarf sie der Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber. Teilweise wird aber vertreten, dass ein Arbeitgeber, der keine Erfassung vornimmt und dadurch seinen Arbeitnehmern den Nachweis von Überstunden erschwert, nunmehr ihre Arbeitszeiten vortragen und dadurch belegen müsse, dass diese keine Überstunden geleistet haben. Das LAG Niedersachsen hat dagegen jetzt entschieden, dass sich durch die EuGH-Entscheidung an der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers im Überstundenprozess nichts geändert hat.
Dem Urteil des LAG Niedersachsen lag die Klage eines Arbeitnehmers auf Vergütung von mehr als 400 Überstunden zugrunde. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitszeiten des Arbeitnehmers nur unvollständig erfasst. Insbesondere waren keine Pausen dokumentiert. Das Arbeitsgericht Emden gab der Klage in erster Instanz statt und begründete dies damit, dass die Nichterfassung der Arbeitszeiten zu einer Beweislastumkehr führe, so dass der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer substantiiert zu den Arbeitszeiten und Pausen vortragen müsse. Mangels vollständiger Erfassung der Arbeitszeiten war dem Arbeitgeber aber genau das nicht möglich.
Diese Entscheidung hat das LAG Niedersachsen mit überzeugenden Gründen aufgehoben.
Überstunden sind nur zu vergüten, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder aber zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Den Arbeitnehmer treffe diesbezüglich die Darlegungs- und Beweislast. Die Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung ändere hieran nichts, da sie sich ausschließlich mit Themen des Arbeits- bzw. Gesundheitsschutzes befasse und der EuGH für Fragen des Arbeitsentgeltes nicht zuständig sei.
Damit oblag es dem Arbeitnehmer, substantiiert dazu vorzutragen, welche Tätigkeit er jeweils verrichtet habe, warum dies nur unter Ableistung von Überstunden habe erfolgen können und wann genau er diese Überstunden geleistet hatte. Da dem Arbeitnehmer das – wie in den meisten Überstundenprozessen – nicht gelang, wies das LAG Niedersachsen die Klage ab.