I. Einleitung
Die „Einkaufsgemeinschaft“ als Zusammenschluss von Nachfragern am Markt erfreut sich insbesondere unter Kommunen und deren Beteiligungen wachsender Beliebtheit, denn mit der Nachfragebündelung gehen wirtschaftliche Vorteile genauso einher wie eine Stärkung der Auftraggeberposition über Know-how-Bündelung. Die Europäische Union sieht eine gemeinsame Beschaffung öffentlicher Auftraggeber gerade als einen Schlüssel hin zur Professionalisierung und Effizienzsteigerung des öffentlichen Einkaufs an, die nicht zuletzt im Zusammenhang mit innovativen Projekten eine wichtige Rolle spielen kann. Im Frühjahr 2020 haben etwa der Regionalverkehr Köln und die Wuppertaler Stadtwerke als Einkaufsgemein-schaft insgesamt 25 Brennstoffzellenbusse bestellt. Allerdings werfen kommunale Einkaufsgemeinschaften kartell- und vergaberechtliche Fragestellungen auf, die bei der Beschaffungsbündelung sorgfältig beantwortet werden müssen, um im Rahmen von fördermittelbundenen gemeinsamen Beschaffungen keine Rückforderungsrisiken einzugehen.
II. Rechtliche Einordnung
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Bündelung von Bedarfen im Rahmen gelegentlicher gemeinsamer Auftragsvergaben vergaberechtlich ein im Rahmen der Einkaufsstrategie nach § 4 Vergabeverordnung (VgV) zulässiges Instrument ist.
Nach dem Willen des Gesetzgebers wird hierdurch jedoch keine Aussage hinsichtlich der kartellrechtlichen Zulässigkeit getroffen. Aber auch auf der Ebene des Vergaberechts entstehen Hindernisse im Umgang mit Einkaufsgemeinschaften, da insbesondere das Gebot der Losaufteilung, § 97 Abs. 4 S. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), dem Sinn und Zweck einer Einkaufsgemeinschaft entgegenzustehen
scheint.
1. Kartellrechtliche Zulässigkeit
Bei kommunalen Einkaufgemeinschaften besteht generell die Gefahr der Einschränkung des Nachfragewettbewerbs. Der EuGH und der BGH vertreten dabei grundlegend divergierende Ansichten zu der Frage, ob das Kartellrecht auf kommunale Einkaufsgesellschaften überhaupt Anwendung findet. Das GWB richtet sich zunächst einmal nur an Unternehmen. Darunter wird sowohl im europäischen, als auch im deutschen Recht jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung verstanden (sog. funktionaler Unternehmensbegriff). Die gemeinsame Beschaffung durch kommunale Einkaufsgemeinschaften wird jedoch vom EuGH und BGH unterschiedlich bewertet.
Der EuGH hat in der Sache Fenin entschieden, dass bei der Prüfung der Unternehmenseigenschaft als zusätzliche Anforderung die spätere wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Verwendung des gemeinsam beschafften Produktes zu berücksichtigen sei. Als Faustformel lässt sich festhalten: Je enger die Tätigkeit mit Hoheitsrechten der öffentlichen Hand verbunden ist, desto mehr spricht dies – so der EuGH – für einen nichtwirtschaftlichen Charakter und damit gegen eine Unternehmenseigenschaft der Nachfrager. Da die öffentliche Hand einen Teil ihrer Beschaffungen für hoheitliche Auf-gaben benötigt, führt diese Ansicht dazu, dass jedenfalls dieser Be-reich der kartellrechtlichen Kontrolle entzogen wäre. Dies beträfe etwa Anschaffungen im Zusammenhang mit der kommunalen Abfallentsorgung, die gemäß § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Gemeindeordnung NRW (GO NRW) ausdrücklich als nichtwirtschaftliche Tätigkeit gilt.
2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Losvergabe
Aufgrund des mit der Nachfragebündelung bei kommunalen Einkaufsgemeinschaften einhergehenden größeren Auftragsvolumens, könnten mittelständische Unternehmen von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen sein, wenn zusätzlich eine Gesamtvergabe erfolgt. Dies stellt eine potentielle Verletzung des Wettbewerbsgrundsatzes und mittelständischer Interessen dar (§ 97 Abs. 1, 4 GWB). Jedoch ist abseits von der jeweiligen Einzelfallsituation zu berücksichtigen, dass neben den allgemeinen Grundsät-zen des Vergaberechts (Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung) auch die in § 97 Abs. 3 GWB normierten strategischen Ziele, d.h. Qualität, Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte hinsichtlich der Entscheidung für eine Gesamtvergabe ursächlich sein können. Zum Beispiel kann im Hinblick auf innovative Beschaffungen die Mobilitätswende hin zu erneuerbaren Energien argumentativ für eine Gesamtvergabe mit ressourcenschonender und energieeffizienter Zielsetzung herangezogen werden. Hier wird etwa im Hinblick auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge der nur im Promillebereich messbare Anteil am Marktvolumen durch die staatliche Nachfrage zu entsprechendem Wachstum angeregt. Letztlich werden Marktzutrittschancen kleiner und mittelständischer Unter-nehmen in der Zukunft nur geschaffen werden, indem der innovativen Technologie zum Durchbruch verholfen wird. Entsprechende Argumentationen können den Verzicht auf die Losaufteilung nicht losgelöst von der konkreten Auftragsvergabe rechtfertigen, sondern eine einzelfallbezogene Begründung nur ergänzen.
III. Ausblick
Kommunale Einkaufsgesellschaften sind ein wertvolles Instrument zur Effizienz- und Profitabilitätssteigerung sowie zur Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung, zur Ressourcenschonung der inkaufspartner und schließlich zur Bündelung solcher Nachfrage-mengen, die in der Lage sind, Anreize für automatisierte und damit kostensenkende Produktionswege auf Bieterseite zu setzen, um dadurch auf Dauer innovativen und / oder nachhaltigen Technologie den Weg zu ebnen. Kurz: Im vergaberechtlichen Gefüge sind Einkaufsgemeinschaften eine Antwort auf die Frage, wie kleinere Kommunen sich strategisch sinnvoll positionieren können angesichts der über die vergangenen 20 Jahre ständig gewachsenen An- und Herausforderungen einer rechtlich komplexen und politisch immer strategischer orientierten Vergaberechtsmaterie, die sie nicht nur rechtssicher, sondern auch im Ergebnis wirtschaftlich beherrschen sollen, was angesichts personeller und haushalterischer Zwänge für die meisten kleineren Kommunen im Alleingang nicht zu leisten ist.