Am 29.03.2023 ist mit § 6 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) eine Vorschrift in Kraft getreten, die viel Potential für den beschleunigten Ausbau der Windenergie an Land mit sich bringt. Die Vorschrift ist – mit viel Kritik durch die Opposition und Umweltschutzverbände – als Teil der ROG-Novelle beschlossen worden und dient der Umsetzung der sog. EU-Notfallverordnung. Sie ermöglicht für bis zum 30.06.2024 gestellte Anträge für die Genehmigung von Windenergieanlagen (WEA), dass von einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und einer Artenschutzprüfung abgesehen wird. Die Vorschrift kann auch in bereits laufenden Genehmigungsverfahren zur Anwendung kommen.
Voraussetzung für die Anwendung des § 6 WindBG ist, dass die beantragte WEA in einem ausgewiesenen Windenergiegebiet (§ 2 Nr. 1 WindBG) liegt, das nicht in einem Natura 2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegen darf. Als Windenergiegebiete bestimmt § 2 Nr. 1 WindBG sowohl Vorranggebiete in Raumordnungsplänen sowie vergleichbare Sondergebiete in Flächennutzungs- und Bauleitplänen. Dies umfasst die bisher gängigen Konzentrationszonen für Windenergie.
Um das Fehlen der UVP und einer artenschutzrechtlichen Prüfung zu „kompensieren“, ist weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 6 WindBG, dass bei der Ausweisung des Windenergiegebietes eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchgeführt wurde. Diese Voraussetzung dürfte allerdings in den allermeisten Fällen erfüllt sein, da bei der Aufstellung von Raumordnungs- und Bauleitplänen eine SUP bereits seit dem Jahr 2004 verpflichtend durchzuführen ist. Ohne Bedeutung ist dem Gesetz zufolge hingegen die Prüfungstiefe der Umweltprüfung. Es wird lediglich gefordert, dass überhaupt eine Umweltprüfung erfolgt ist, ohne weitere Vorgaben an die Art und Weise zu stellen. Davon profitieren ältere Umweltprüfungen, die nicht dem heutigen Standard entsprechen.
Zuletzt ist für eine Anwendung des § 6 WindBG erforderlich, dass der Antragsteller nachweist, dass er das Grundstück, auf dem die WEA errichtet werden soll, vertraglich gesichert hat. Der Nachweis über die Sicherung benachbarter Grundstücke, zum Beispiel für die Eintragung von Baulasten, ist hingegen nicht erforderlich.
Sind die genannten Voraussetzungen des § 6 WindBG erfüllt, ist von einer UVP und einer Artenschutzprüfung abzusehen. Um dennoch dem Artenschutz Rechnung zu tragen, ist die zuständige Behörde befugt, auf Grundlage vorhandener Daten zum Artvorkommen geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen (§ 6 Abs. 1 Satz 3 WindBG). Die Daten müssen eine ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen und dürfen nicht älter als fünf Jahre alt sein. Sie können zum Beispiel aus zurückliegenden Kartierungen von Vorhabenträgern stammen oder aus behördlichen Datenbänken. Es ist aber nicht erforderlich, dass eigens noch eine Datengrundlage geschaffen wird, also der Vorhabenträger neu kartiert. Fehlen geeignete Daten oder kommen Minderungsmaßnahmen nicht in Betracht, müssen Vorhabenträger jährlich für die Dauer des Betriebs der Windenergieanlage einen finanziellen Ausgleich in Form einer zweckgerichteten Abgabe an den Bund leisten, die dort wiederum für Artenhilfsprogramme einzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Satz 10 WindBG, § 45d BNAtSchG).