Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen vor der Entscheidung des BFH vom 23.08.2017
Die Steuerfreiheit sogenannter Sanierungsgewinne war lange Zeit Gegenstand unterschiedlichster gesetzlicher Regelungen und Verwaltungsvorschriften.
Sanierungsgewinne sind dabei solche gewinne, die der Sanierung eines notleidenden Unternehmens, z. B. dem Erlass von Forderungen gegen das Unternehmen durch Gesellschafter oder sonstige gläubiger entstehen. Diese Gewinne können zu einem Steuerübereinkommen führen, obwohl dem Unternehmen real keine Mittel zugeflossen sind. Die mit Sanierungsgewinnen verbundenen steuerlichen Lasten für das Unternehmen können eine ernsthafte Gefahr für Sanierungsbemühungen darstellen.
Diese Gefahr haben sowohl der Gesetzgeber als auch die Finanzverwaltung grundsätzlich erkannt und ihr durch unterschiedliche Regelungen zu begegnen versucht.
So diente beispielsweise § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz (EStG) als Erfassung der Befreiung der Sanierungsgewinne von auf diese entfallenen Steuern. Nach Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG führte das Bundesfinanzministerium durch Schreiben vom 27.03.2003 den sogenannten Sanierungserlass ein, durch den geregelt wurde, unter welchen Umständen Sanierungsgewinne von einer Besteuerung ausgenommen sein sollten.
Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 28.11.2016
Mit der Entscheidung des Großen Senats vom 28.11.2016 wurde der Sanierungserlass des Bundesministeriums der Finanzen für verfassungswidrig erklärt. Er verstoße gegen das Legalitätsprinzip, das in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und § 85 S. 1 Abgabenordnung (AO) zum Ausdruck komme. Die Finanzbehörden seien daher grundsätzlich verpflichtet, Steuern, die entstanden sind, auch entsprechend festzusetzen. Von diesem Grundsatz dürften die Finanzbehörden auch keine Ausnahmen im Wege von Verwaltungserlassen, wie dem Sanierungserlass, zulassen. Die in Bezug genommenen Vorschriften des § 163 und des § 227 AO ließen nur eine Ausnahme von der Besteuerung in Form des Erlasses im Einzelfall zu, wenn die Besteuerung unbillig sei. Dies treffe jedoch nicht allgemein auf z. B. durch Forderungsverzichte entstandene Sanierungsgewinne zu. Daher seien die §§ 163, 227 AO keine ausreichende Grundlage für den Sanierungserlass. Zudem sei die Gefährdung der Unternehmenssanierung durch die Versteuerung nach der vorgeschriebenen Verlustverrechnung verbleibender Sanierungsgewinne gering.
Daher war nach der Rechtsprechung eine Steuerfreiheit durch die Anwendung des Sanierungserlasses durch die Finanzbehörden nicht mehr möglich.
Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2017
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.11.2016 reagierte die Finanzverwaltung mit einem ergänzenden Erlass, nach dem der Sanierungserlass zumindest auf Altfälle – solche vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.11.2016 – weiterhin anzuwenden war. Mit der Entscheidung vom 23.08.2017 verwarf der Bundesfinanzhof jedoch auch die Anwendung des Sanierungserlasses auf Altfälle, wie sie in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vorgesehen war. Zur Begründung führte der Bundesfinanzhof aus, dass auch die rückwirkende Anwendung des Sanierungserlasses nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar sei und ein vorrangiges Schutzbedürfnis der Steuerpflichtigen nicht bestünde.
So hatte das Bundesministerium der Finanzen in seinem Erlass vom 27.04.2017 die Anwendung des Sanierungserlasses auf Altfälle u. a. mit Vertrauensschutzgesichtspunkten gerechtfertigt. Entsprechenden Vertrauensschutz verneinte der Bundesfinanzhof mit der Begründung, dass dieser eine zweifelsfreie Rechtslage voraussetze, die im Falle des sogenannten Sanierungserlasses nicht bestanden habe. Die Legalität des Sanierungserlasses sei bereits frühzeitig infrage gestellt und letztlich auch zunächst von der Rechtsprechung offen gelassen worden. Daher komme Vertrauensschutz für bereits getroffene Dispositionen nicht in Betracht.
Einführung von § 3 a EStG
Der Gesetzgeber hat den Handlungsbedarf bei der steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen erkannt und darauf mit der Einführung des neuen § 3 a EStG reagiert, um Sanierungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen von der Besteuerung auszunehmen. Ziel der Regelung ist es, an die bisherige Handhabung auf der Grundlage des Sanierungserlasses des Finanzamtes anzuknüpfen. im Unterschied zur bisherigen Praxis der Finanzverwaltung bleiben die Sanierungsgewinne unter den Voraussetzungen des § 3 a EStG grundsätzlich steuerfrei. Die Regelung tritt allerdings erst in Kraft, wenn die europäische Kommission zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich bei der Steuerbefreiung nicht um eine europarechtlich unzulässige Beihilfe handelt. Wie die einzelnen Merkmale des § 3 a EStG – insbesondere die betriebliche Veranlassung – auszulegen sein werden, wird allerdings voraussichtlich der Klärung in Rechtsprechung und Praxis bedürfen.