Privates Baurecht - Bundesgerichtshof (BGH) Urteil vom 8.8.2019 – VII ZR 34/18

Guter Preis bleibt nicht guter Preis – Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Preisfortschreibung in VOB/B-Bauverträgen

Fachbeitrag
Immobilienwirtschaftsrecht

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt beauftragte der Beklagte den Kläger auf Einheitspreisbasis mit Abbrucharbeiten unter Einbeziehung der VOB/B. Teil der beauftragten Arbeiten war auch die Entsorgung von Bauschutt (Abfallschlüsselnummer 170106) mit einem Einheitspreis von 462 €/t. Statt der ursprünglich im Leistungsverzeichnis aufgeführten Menge von 1 t mussten 83,92 t Bauschutt entsorgt werden. Während der Bauausführung konnten die Bauvertragsparteien sich nicht auf eine Vergütungsanpassung für die Mengenmehrung verständigen. Nach Abschluss der Arbeiten rechnete der Kläger die Mengenmehrung gegenüber der Beklagten unter Zugrundelegung eines Einheitspreises von 462 €/t ab. Die Beklagte verweigerte jedoch die Zahlung führte Begründung aus, dass aus ihrer Sicht die Mengenmehrung auf Basis der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu berechnen sei. Aus ihrer Sicht sei daher ein Einheitspreis von 109,88 €/t für die Mengenmehrung gerechtfertigt. Im Rahmen des Klageverfahrens wiesen sowohl das Landgericht Hannover als auch in der Berufungsinstanz das Oberlandesgericht Celle die Klage in weiten Teilen zurück. Hiergegen richtete sich die Revision des Klägers zum Bundesgerichtshof.

Auch der Bundesgerichtshof teilt jedoch nicht den Abrechnungsansatz des Klägers und widerspricht damit der Korbion’schen Formel: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis.“ §2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B sehe eine vorkalkulatorische Preisfortschreibung und damit einen Erhalt des Vertragspreisniveaus nicht vor. Nach der VOB/B sei es grundsätzlich Aufgabe der Vertragsparteien, sich auf einen Preis zu einigen. Erfolge dies nicht, sei die hierdurch entstehende Vertragslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese ergänzende Vertragsauslegung müsse unter angemessener Abwägung der wechselseitigen Interessen der Vertragspartner nach Treu und Glauben erfolgen.

Unter Abwägung der wechselseitigen Interessen sei der Vertrag dahingehend auszulegen, dass Mehrmengen nach den tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu bemessen sind. Hierdurch erhalte der Auftragnehmer eine auskömmliche Vergütung. Es widerspreche hingegen dem Grundsatz von Treu und Glauben, dem Auftragnehmer im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein einseitiges Recht auf Gewinnerwirtschaftung zuzubilligen bzw. dem Auftraggeber das Recht einzuräumen, den Auftragnehmer an unauskömmlichen Preisen festzuhalten. Eine vorkalkulatorische Preisfortschreibung finde nicht statt. Für die Bestimmung des neuen Einheitspreises gelte das Vertragspreisgefüge nicht.

Praxistipp

Mit seinem aktuellen Urteil gibt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur vorkalkulatorischen Preisfortschreibung (BGH Urteil vom 14.03.2013 – VII ZR 142/12) in weiten Teilen auf. Diese neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beschränkt sich aller Voraussicht nach nicht auf die Fallgruppe des § 2 Abs. 3 Nummer 2 VOB/B. Vielmehr lassen sich die vom Bundesgerichtshof angestellten Überlegungen auch auf den wortgleichen § 2 Abs. 5 VOB/B sowie die Fallgruppe des § 2 Abs. 6 VOB/B übertragen. Der Bundesgerichtshof wendet somit indirekt die für BGB-Bauverträge ab dem 01.01.2018 geltende Vergütungsanpassungsregelung des § 650c Abs. 1 BGB auch für VOB/B-Bauverträge an.

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