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Die Beschaffung wasserstoff­betriebener Abfallsammel­fahrzeuge im Spannungsfeld von Vergabe- und Zuwendungsrecht

Fachbeitrag
Energie und Infrastruktur, Planung und Umwelt Kartellrecht, Vergaberecht und Beihilferecht

I. Einleitung

Die Mobilitätswende zu erneuerbaren Energien befindet sich noch in der Anfangsphase. Bislang findet die Beschaffung von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb durch öffentliche Auftraggeber nur unregelmäßig statt, wie der im Promillebereich messbare Anteil von wasserstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeugen in Deutschland im Vergleich zu kraftstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeugen deutlich macht. Dies soll sich nach dem Willen der Bundesregierung ändern. So heißt es in der Präambel des Aufrufs zur Antragseinreichung für die Förderung von wasserstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeugen aus September 2020 ausdrücklich, dass „das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Marktaktivierung für Serienprodukte, die die technische Marktreife erzielt haben, am Markt jedoch noch nicht wettbewerbsfähig sind, als Vorstufe des Markthochlaufs“ unterstützt. Dies geschieht durch die Förderrichtlinie „Maßnahmen der Marktaktivierung im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie Phase 2 (Schwerpunkt Nachhaltige Mobilität)“ vom 09.07.2020. Wer hiernach Fördermittel erhält, muss bei deren Investition das Vergaberecht beachten.

II. Spannungsfeld von Vergabe- und Zuwendungsrecht

Die vergaberechtliche Bindung der Zuwendungsempfänger erwächst entweder ohnehin bereits aus ihrer Stellung als öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) oder aus den Allgemeinen Nebenbestimmungen des Bundes für die Projektförderung (ANBest-P; Anlage 2 zur VV Nr. 5.1 zu § 44 BHO), die Bestandteil des Zuwendungsbescheides sind. Die Anwendung des Vergaberechts soll eine sparsame und wirtschaftliche Mittelverwendung sicherstellen. 

Nach Ziffer 6 ANBest-P ist über die Verwendung der Zuwendung ein Zuwendungsnachweis gegenüber der  Bewilligungsbehörde zu erbringen. Eine Erstattung der Zuwendung als Folge eines Widerrufs mit Wirkung für die Vergangenheit droht, wenn die Zuwendung nicht alsbald nach der Auszahlung zur Erfüllung des Zuwendungszwecks verwendet oder Auflagen wie der Verwendungsnachweis nicht (rechtzeitig) erfüllt werden (vgl. Ziffer 8.3 ANBest-P).
Der Erstattungsbetrag ist dann mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom Zeitpunkt der Gewährung an zu verzinsen (vgl. Ziffer 8.4 ANBest-P).

III. Praxis-Spotlights

Vergaberechtliche Herausforderungen ergeben sich zum einen durch die kurze Antrags- und Bewilligungsfrist und zum anderen bei der Wahl der richtigen Verfahrensart, den Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie bei der Vertragsgestaltung.

Erstens mussten die Förderanträge bereits bis zum 15.10.2020 eingereicht werden. Der Bewilligungszeitraum wird jedoch gemäß Ziffer 3. des Aufrufs zur Antragseinreichung der Förderrichtlinie nur zwei Jahre  betragen. Innerhalb dieses Zeitraums müssen die durch die Fördermittel finanzierten Fahrzeuge im Rahmen eines EU-weiten Vergabeverfahrens beschafft, geliefert und abgerechnet sein. Bedenkt man, dass

  1. die Vorbereitung und Durchführung eines EU-weiten Vergabeverfahrens mindestens vier bis eher sechs Monate (je nach Verfahrensausgestaltung) in Anspruch nimmt,
  2. die Produktion von Abfallsammelfahrzeugen mit Brennstoffzellentechnologie aktuell immer noch mit mindestens der Dauer von einem Jahr in Ansatz zu bringen ist, 
  3. unter den aktuellen pandemiebedingten Lieferbedingungen Verzögerungen eintreten können und
  4. ein aus den Fördermengen resultierender Ansturm auf die wenigen Anbieter dieser neuen Technologie zu längeren
  5. Lieferfristen führen kann,


ist klar, dass vorausschauend planende Auftraggeber das Vergabeverfahren nach Antragstellung aber vor der Bewilligung eines Förderantrags beginnen müssen, um frühzeitig ihre Bestellungen platzieren zu können. Als Folge dessen muss eine Zuschlagserteilung unter den Vorbehalt der Förderungsbewilligung gestellt werden.

Zweitens ist bei der Wahl der richtigen Verfahrensart zwischen dem offenen Verfahren (§ 15 VgV) und dem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (§§ 14, 17 VgV) zu entscheiden.
Das  Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb kommt nur in abschließend geregelten Fällen in Betracht (§ 14 Abs. 3 VgV). Beim hiesigen Beschaffungsgegenstand kommt jedoch durchaus der Ausnahmetatbestand des § 14 Abs. 3 Nr. 2 VgV („der Auftrag [umfasst] konzeptionelle oder innovative Lösungen“) in Betracht. Hier stellt sich allerdings ein Argumentationsproblem mit voranschreitender Zeit, da gerade Serienprodukte, die die technische Marktreife erzielt haben, beschafft werden sollen. Zudem dauert das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aufgrund der Zweistufigkeit länger, was angesichts der notwendigen alsbaldigen Verwendung der Zuwendung problematisch werden kann. Demgegenüber ist das offene Verfahren zwar weniger flexibel, es bedarf einer detaillierten Leistungsbeschreibung und es kann insbesondere im Gegensatz zum Verhandlungsverfahren über den Leistungsgegenstand nicht verhandelt werden. Allerdings ist durch den einphasigen Wettbewerb ein zeitlich schlankes Vergabeverfahren möglich und der Markt für wasserstoffbetriebene Abfallsammelfahrzeuge ist begrenzt, was zu einer überschaubaren Anzahl von Angeboten und vorhersehbaren Qualitäten führt.  Schließlich bietet das offene Verfahren auch den umfassendsten Wettbewerb, was das Verfahren in seiner vergaberechtlichen Rechtfertigung gegenüber dem Fördermittegeber maximal absichert. Im Ergebnis führt die Abwägung von Aufwand und Nutzen zur richtigen Verfahrenswahl im Einzelfall.

Drittens muss auf Ebene der Eignungskriterien gut durchdacht werden, welche Referenzen als Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit gefordert werden, denn je nach konkretem Leistungsgegenstand können vergleichbare Referenzen rar sein und eine entsprechende Forderung den Wettbewerb zu stark einengen.

Viertens ist bei der Wahl der Zuschlagskriterien neben dem Preis in jedem Fall das Lieferzeitkriterium zu bedenken. Nach § 68 Abs. 1, 2 VgV ist der Auftraggeber verpflichtet, den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen von Straßenfahrzeugen durch Vorgaben in der Leistungsbeschreibung oder als Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Dem Leistungsgegenstand ist bei der Beschaffung von  Brennstoffzellenbetriebenen Abfallsammelfahrzeugen ein entsprechendes Ansinnen zwar grundsätzlich bereits immanent. Aber es bietet sich auch hier eine Fülle von Kriterien an, die bei der Zuschlagsentscheidung die umweltschonende Beschaffung unterstützen können. Ein Beispiel ist die maximale Reichweite des Fahrzeugs mit einer Wasserstoff-Tankfüllung.

Fünftens ist bei der Vertragsgestaltung über eine Rahmenvereinbarung im Sinne von § 21 VgV nachzudenken, welche den öffentlichen Auftraggeber in die komfortable Lage versetzt bei wiederkehrenden Beschaffungen auf Basis der in der Rahmenvereinbarung geregelten Bedingungen weitere Einzelaufträge abzurufen, ohne hierzu separate Ausschreibungsverfahren durchführen zu müssen.
Die Beschaffung kann so beschleunigt und vereinfacht werden. Es ist allerdings zu beachten, dass die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung grundsätzlich höchstens vier Jahre betragen darf (§ 21 Abs. 6 VgV) und ein gewisses Beschaffungsvolumen voraussetzt. Ggf. macht insoweit die Bündelung der Bedarfe mehrerer Auftraggeber über eine gemeinsame Auftragsvergabe im Sinne des § 4 VgV Sinn.

Last but not least ist unabdingbare Grundlage einer rückforderungsfesten Mittelverwendung die sorgfältige, begründete und vollständige Dokumentation der vergaberechtskonformen Beschaffung über den Vergabevermerk als Anlage zum Mittelverwendungsnachweis.

Diese Praxis-Spotlights zeigen, dass die Beschaffung einer innovativen und geförderten Technologie auf verschiedenen Ebenen Herausforderungen birgt, die eine sorgfältige Verfahrensvorbereitung und Abwicklung erfordern. Bei der rückforderungsfesten Ausgestaltung unterstützen wir Sie gerne.

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