BGH, Beschluss vom 14.07.2020, XIII ZB 135/19

Die Ablehnungsfiktion des § 171 Abs. 2 GWB gilt nur bei fristgerechter sofortiger Beschwerde. Anderenfalls Wirksamkeit des verspäteten VK-Beschlusses!

Fachbeitrag
Kartellrecht, Vergaberecht und Beihilferecht

Sachverhalt: Der Antragsteller begehrt mit der Einreichung des Nachprüfungsantrags vom 30.12.2018 die Feststellung der Unwirksamkeit eines ohne vorherige Bekanntmachung vergebenen Auftrags gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Gegenstand des streitgegenständlichen Vertrags zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen war die Anmietung von Bordrechnern und Fahrscheindruckern für Fahrzeuge des ÖPNV in Höhe von ca. 2 Mio. EUR.

Die Vergabekammer beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung zunächst für den 29.01.2019 an, welchen sie sodann auf den 19.02.2019 verschob, ohne dabei die Entscheidungsfrist des § 167 Abs. 1 GWB zu verlängern.

Mit Beschluss vom 25.02.2020 gab die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag des Antragstellers statt, erklärte den abgeschlossenen Vertrag für unwirksam und verpflichtete den Auftraggeber zur europaweiten Ausschreibung der streitgegenständlichen Leistungen.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer legte der Antragsgegner sofortige Beschwerde beim OLG Karlsruhe ein mit der Begründung, der Nachprüfungsantrag sei nicht innerhalb der 5-wöchigen Frist des § 167 Abs. 1 GWB entschieden worden, weshalb mit Ablauf dieser Frist der Nachprüfungsantrag als abgelehnt gelte. Über den Streitgegenstand könne die Vergabekammer eine Entscheidung in der Sache nicht mehr treffen.

Das OLG Karlsruhe teilt mit der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung (u.a. Oberlandesgerichte Düsseldorf, Celle, Dresden und München) die Auffassung des Antragsgegners, möchte jedoch aufgrund der hiervon abweichenden älteren Rechtsprechung des OLG Rostock, Beschluss vom 17.10.2001, 17 W 18/00, und KG Berlin, Beschluss vom 07.11.2001, KartVerg 8/01, die Divergenz durch den BGH geklärt wissen.

Entscheidung:

Der BGH entscheidet, dass ein Nachprüfungsantrag mit Ablauf der 5-wöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 167 Abs. 1 GWB nur dann als abgelehnt gilt, wenn der Antragsteller auch innerhalb der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 GWB eine sofortige Beschwerde einlegt. Nur in diesem Fall gilt die Ablehnungsfiktion des § 171 Abs. 2 GWB.

Gemäß § 167 Abs. 1 S. 1 GWB trifft und begründet die Vergabekammer ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags.

§ 171 Abs. 1 GWB regelt, dass die sofortige Beschwerde auch dann zulässig ist, wenn die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der 5-wöchigen Entscheidungsfrist des § 167 Abs. 1 GWB entschieden hat. In diesem Fall gilt der Antrag als abgelehnt.

Der BGH begründet seine Auslegung mit dem Gesetzeswortlaut und der systematischen Stellung des § 171 Abs. 1 GWB, wonach dieser sich im Abschnitt über die sofortige Beschwerde §§ 171 ff. GWB befindet. Hätte der Gesetzgeber eine automatische Ablehnungsfiktion gewollt, wäre eine solche Regelung im Abschnitt 2. über das Verfahren vor der Vergabekammer (§§ 160 ff. GWB) vorzufinden. Insbesondere sei jedoch Gesetzeszweck des § 172 Abs. 1 GWB, dem Antragsteller eine „Untätigkeitsbeschwerde“ an die Hand zu geben, um die Sachentscheidungszuständigkeit von der Vergabekammer an den Senat übergehen zu lassen. Verstreicht die 5-wöchige Entscheidungsfrist und wird von dem Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde abgesehen, hat die Vergabekammer über das noch anhängige Vergabeverfahren in der Sache zu entscheiden.

BGH, Beschluss vom 14.07.2020, XIII ZB 135/19

Praxistipp

Unter Rechtsschutzgesichtspunkten ist die Entscheidung des BGH begrüßenswert, da nach Ablauf der 5-wöchigen Entscheidungsfrist des § 167 Abs. 1 GWB nunmehr der Antragssteller darüber befinden kann, ob die bereits befasste Vergabekammer oder aber die nächste Instanz in der Sache entscheidet. Mit Blick auf die auch vom BGH angesprochene Prozessökonomie, das europarechtliche Erfordernis einer wirksamen Nachprüfung und den Umstand, dass der Antragsteller im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer weder anwaltlich vertreten sein muss, noch über die Folgen des fruchtlosen Ablaufs der Entscheidungsfrist nach § 167 Abs. 1 GWB belehrt wird, erscheint die Rechtsprechung des BGH zudem sachgerecht und gut begründet.

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