Gewerberaummietrecht

Aktuelle praxisrelevante Entscheidungen des BGH

Fachbeitrag
Immobilienwirtschaftsrecht

Um keine falschen Erwartungen zu wecken: Eine BGH-Entscheidung zu der vielfach diskutierten Frage, ob ein Anspruch auf Mietreduzierung zu Coronazeiten besteht, liegt noch nicht vor. Die bisher veröffentlichte obergerichtliche Rechtsprechung in Form von OLG-Entscheidungen ist uneinheitlich und orientiert sich – richtigerweise – sehr stark an den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls.

Gleichwohl erscheint es lohnend, zwei jüngere BGH-Entscheidungen zum Gewerberaummietrecht vorzustellen, da es darin um praxisrelevante Themen geht:

1.

Das Urteil des BGH vom 03.03.2021 (XII ZR 92/19) beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedeutung sogenannte „Vollständigkeitsklauseln“ in Gewerberaummietverträgen haben: Es gehört fast zum Standard, dass sich in Gewerberaummietverträgen – in der Regel im letzten Paragrafen und unter „Sonstiges“ – Formulierungen finden, wie

„mündliche Nebenabreden bestehen nicht“
o. ä.

Der BGH urteilt, dass derartige Klauseln praktisch wertlos sind und stellt zunächst klar, dass sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen ohnehin unwirksam wären.

Soweit man sie im Einzelfall – was in der Praxis kaum gelingen wird – als individuell ausgehandelte Klausel bewerten will, ist sie inhaltlich gleichwohl praktisch wertlos:

Der BGH stellt klar, dass sich einer solchen Klausel keine unwiderlegbare Vermutung für das Nichtbestehen mündlicher Nebenabreden entnehmen lässt. Folglich verbleibt als Effekt einer solchen Klausel nur eine widerlegbare Vermutung dahin, dass alle Vertragsabsprachen im schriftlichen Mietvertrag enthalten sind. Es steht also jeder Vertragspartei die Möglichkeit offen, darzulegen, dass sehr wohl Absprachen getroffen sind, die im Mietvertrag keinen Niederschlag finden. Wer sich auf eine solche Absprache beruft, muss sie im Bestreitensfalle allerdings beweisen, was praktisch nur mit Zeugenbeweis gelingen kann und daher per se schwierig ist.

Hinzukommt, dass sich ein solcher Sachvortrag als „Schuss nach hinten“ erweisen kann: Zumindest dann, wenn eine für den Vertragsinhalt wesentliche mündliche Absprache behauptet wird, besteht die Gefahr, dass der Prozessgegner die Behauptung unstreitig stellen könnte, mit der fatalen Folge, dass dann feststeht, dass der Mietvertrag unter einem Formmangel leidet, der beide Parteien zu einer Kündigung des Vertrages mit gesetzlicher Frist gem. § 550 BGB berechtigen würde.

2.

Die soeben schon angerissene Schriftformthematik ist und bleibt im Gewerbemietrecht ein „Dauerbrenner“. Sie hat in den letzten Jahren sogar noch an Bedeutung gewonnen, nachdem der BGH klargestellt hat, dass die früher vielfach verwandten sogenannten Schriftformheilungsklauseln unwirksam sind – gleichgültig ob individuell ausgehandelt oder in Gestalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auf die auch an dieser Stelle schon vorgestellte Entscheidung des BGH vom 27.09.2017 (XII ZR 114/16) wird verwiesen (vergleiche Update Immobilienwirtschaftsrecht Ausgabe Dezember 2017).

Einige immer wieder diskutierte Fragen zu den Anforderungen an die Schriftform von Gewerberaummietverträgen hat der BGH in seinem Urteil vom 10.02.2021 (XII ZR 26/20) beantwortet:

Im entschiedenen Fall entsprach zunächst der Ursprungsmietvertrag nicht den Formvorschriften, da der nur aus zwei Seiten bestehende Vertrag von den Parteien nur auf der ersten Seite unterzeichnet war, auf der zweiten Seite aber – in der Gestalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen – noch wesentliche Vertragsinhalte enthielt wie Angaben zur Laufzeit des Vertrages und Anderes. Vorgesehen war auch, die Mietsache durch eine Planunterlage (in diesem Fall eine Fotomontage) näher zu beschreiben, woran es zunächst ebenfalls fehlte.

Durch die spätere Unterzeichnung jener Anlage durch beide Parteien sah der BGH den Formmangel als geheilt an, da in der Anlage der Mietvertrag genau bezeichnet erwähnt war:

Dass durch spätere Unterzeichnung einer schriftformgerechten Nachtragvereinbarung ein ursprünglich dem Vertrag anhaftender Schriftformmangel beseitigt werden kann, entspricht seit jeher der Rechtsprechung des BGH (wobei umgekehrt durch Abschluss einer formmangelhaften Nachtragvereinbarung ein ursprünglich formgerecht geschlossener Vertrag in Gänze formmangelhaft werden kann).

Neu an der Rechtsprechung des BGH ist, dass allein die Unterzeichnung einer zunächst fehlenden Anlage durch hinreichend klare Bezugnahme auf den Ursprungsmietvertrag eine den Schriftformmangel heilende Wirkung haben kann. Entscheidend ist also das „Gesamtprodukt“, welches die Parteien erstellen.

Ferner beschäftigt sich der BGH in jener Entscheidung mit der Frage, welche Anforderungen an die Individualisierbarkeit einer Unterschrift der Vertragsparteien zu stellen sind. Hier unterscheidet der BGH zwischen einer bloßen Namensabkürzung, insbesondere einer Paraphe, die als nicht ausreichend angesehen wird, während eine Unterschrift selbst dann, wenn sie kaum einzelne Buchstaben erkennen lässt („geschwungene Linie mit Punkt“) sich als formgerechte Unterschrift darstellt, wenn die betreffende Person auf diese Weise üblicherweise Schriftstücke unterzeichnet.

Die einzelnen Facetten der Entscheidung machen deutlich, dass Schriftformfragen weiterhin nur einzelfallbezogen beantwortet werden können. Generell kann die Entscheidung aber in die Reihe derjenigen BGH-Urteile eingereiht werden, aus denen sich ergibt, dass der BGH in der Tendenz bereit ist, durchaus fantasievolle Gedanken zu entwickeln, um den Bestand geschlossener Verträge sicherzustellen.

Veranstaltungen
14.05.2024 Vergabe-Symposium 2024

Jahrhunderthalle Bochum
An der Jahrhunderthalle 1

44793 Bochum

Anfahrt

23.05.2024 JurStart Münster 2024

Auf dem Gelände der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster

Universitätsstraße 14 - 16
48143 Münster

28.05.2024 ruhrSUMMIT 2024

Jahrhunderthalle Bochum

15.06.2024 Jobbörse Sekundarschule am Stoppenberg

Sekundarschule am Stoppenberg

Im Mühlenbruch 47

45141 Essen

26.06.2024 Informationstag WASSER 2024

Stadthalle Oberursel (Taunus)
Rathausplatz 2
61440 Oberursel

29.10.2024 Fakultätskarrieretag 2024 - Aulinger bei der Karrieremesse an der RUB

Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltungszentrum (Saal 2b + 3)
Universitätsstraße 150
44801 Bochum

11.12.2024 Studien- und Berufswahlmesse - Hildegardis-Schule 2024

Hildegardis-Schule Bochum

Klinikstr. 1

44791 Bochum

Aktuelles
Aulinger Insights 07.03.2024 Firmenlauf 2024
Pressemitteilung 12.02.2024 Mit „Volldampf“ in die Zukunft
Aulinger Insights 27.10.2023 75. Jubiläum Aulinger
Aulinger Insights 10.07.2023 Verleihung des 16. Aulinger-Preises
Aulinger Insights 29.06.2023 Rückblick VfL Charity Golfturnier
Aulinger Insights 26.06.2023 Aulinger Sommerfest 2023
Pressemitteilung 01.10.2022 JUVE-Handbuch 2022
Pressemitteilung 06.07.2022 Handelsblatt Auszeichnung
Pressemitteilung 21.06.2022 Interview mit Frau Dr. Nicola Ohrtmann
Pressemitteilung 16.12.2019 Aulinger Fellows Stipendium 2020
Aulinger Insights 14.08.2019 Ausbildungsstart 2019 bei Aulinger
Pressemitteilung 08.07.2019 Aulinger-Preis 2019
News 27.05.2019 Whistleblower
Pressemitteilung 25.03.2019 Neue Managing Partner bei Aulinger