Der Bundestag hat am 01.12.2022 das „Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“ verabschiedet. Das Gesetz, mit dem vor allem das BauGB punktuell geändert wird, reiht sich ein in eine ganze Reihe von Gesetzesnovellen, die dieses Jahr zur Beschleunigung der Energiewende erlassen wurden. Mit dem jüngsten „Wurf“ werden nunmehr insbesondere Vorhaben zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff (Elektrolyseure) sowie bestimmte Freiflächen-PV-Anlagen erstmalig im Außenbereich „privilegiert“. Die Privilegierung führt dazu, dass diese Anlagen im Regelfall bauplanungsrechtlich zulässig sind, ohne dass es dafür noch eines Bebauungsplans bedarf (§ 35 Abs. 1 BauGB). Die Änderungen werden zum größten Teil am 01.01.2023 in Kraft treten.
Update 13.01.2023: Das Gesetz ist mittlerweile im Bundesgesetzblatt verkündet und wie beabsichtigt in Kraft getreten.
Die wesentlichen Änderungen im Überblick:
1. PV-Anlagen im Außenbereich
Das BauGB wird um eine Regelung zu sog. Freiflächen-PV-Anlagen entlang von Autobahnen und Schienen erweitert. Bisher sind PV-Anlagen im Außenbereich nur an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden bauplanungsrechtlich privilegiert. Nunmehr sollen auch Freiflächenanlagen auf einer Fläche längs von Autobahnen und mit zwei Hauptgleisen ausgebauten Schienenwegen in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern unter die Privilegierung fallen (neuer § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b) BauGB). Die Gesetzesänderung wird damit begründet, dass diese Flächen ohnehin durch optische und akustische Belastungen vorgeprägt seien.
2. Elektrolyseure neben Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen
Anlagen, die der Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff dienen (Elektrolyseure), sollen nach dem neu eingeführten §249a BauGB im räumlichen Zusammenhang zu Windenergie- und PV-Anlagen privilegiert werden. Dies gilt zum einen für Windenergie- und PV-Anlagen, die selbst im Außenbereich privilegiert sind, zum anderen für PV-Anlagen, die noch auf einem „alten“ Bebauungsplan (vor 2023) aus der Zeit vor der Privilegierung von Freiflächen-PV-Anlagen beruhen. Damit die Elektrolyseure privilegiert werden, müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, u.a. eine Grundfläche von 100 m² nicht überschreiten.
Durch eine flankierende Änderung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) wird zudem sichergestellt, dass Elektrolyseure auch in neuen Bebauungsplänen (ab 2023), die der Nutzung der Sonnenergie dienen, zulässig sind, ohne dass dies von der Gemeinde noch eigens mitgeplant werden muss. Gleiches gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch für Industrie- und Gewerbegebiete.
3. Abstand zu Windenergieanlagen
Durch eine weitere BauGB-Änderung wird erstmals gesetzlich geregelt, wann von einer optisch bedrängenden Wirkung von Windenergieanlagen auszugehen ist. Der Gesetzgeber dürfte sich erhoffen, durch die damit gewonnene Rechtssicherheit die Zahl der Nachbarklagen gegen Windenergieanlagen zu reduzieren, in denen häufig der Vorwurf der optisch bedrängenden Wirkung erhoben wird. Zukünftig soll eine solche Wirkung in der Regel nicht vorliegen, wenn der Abstand zwischen zulässiger Wohnbebauung und Windenergieanlage mindestens die zweifache (Gesamt-)Höhe der Windenergieanlage beträgt (§ 249 Abs. 10 BauGB neue Fassung). Das ist eine Erleichterung gegenüber der gefestigten Rechtsprechung des OVG NRW.
4. Ausbau der Erneuerbaren auf Tagebauflächen
Durch den neu eingeführten § 249b BauGB werden die Bundesländer ermächtigt, Abbaubereiche des Braunkohletagebaus durch Rechtsverordnungen beschleunigt mit Windenergie- sowie PV-Anlagen zu belegen. Die Regelung wird damit auch für die Braunkohleabbaugebiete in NRW relevant. Werden die Tagebauflächen nur für Windenergieanlagen, und nicht auch für PV-Anlagen ausgewiesen, werden sie auf die durch das Windflächenbedarfsgesetz für die Bundesländer ausgewiesenen Flächenziele allerdings nur mit einem Faktor von 0,5 angerechnet (neuer § 4 Abs. 4 WindBG).