Öffentliches Baurecht

Neues Bauland­mobilisierungsgesetz - mehr Handlungsspielraum für die Kommunen

Fachbeitrag
Immobilienwirtschaftsrecht

Im Jahr 2019 hat die Baulandkommission ihre Handlungsempfehlungen zur Baulandmobilisierung vorgelegt (vgl. unser Update Immobilienwirtschaftsrecht Juli 2019). Mit einer Reihe von Einzelmaßnahmen sollen die Voraussetzungen für bezahlbaren Wohnraum geschaffen werden. Nun setzt der Gesetzgeber die Handlungsempfehlungen der Baulandkommission im Baugesetzbuch (BauGB) und in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) um.

Folgende Änderungen sind u.a. vorgesehen:

  1. Neue Festsetzungsmöglichkeiten zur Förderung von Wohnungsbau im unbeplanten Innenbereich (sog. sektoraler Bebauungsplan)
  2. Schaffung einer neuen Baugebietskategorie „Dörfliches Wohngebiet“ (§ 5a BauNVO neu)
  3. Erleichterung der Umnutzung von landwirtschaftlichen Gebäuden im Außenbereich
  4. Erweiterung gemeindlicher Vorkaufsrechte mit verlängerter Ausübungsfrist
  5. Stärkung der Baugebote und eine Ausweitung auf Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten
  6. Schaffung städtebaulicher Entwicklungskonzepte zur Entwicklung und baulichen Nutzbarmachung ungenutzter Grundstücke sowie zur Schließung von Baulücken
  7. Erleichterte Abweichungsmöglichkeiten von den Festsetzungen eines Bebauungsplans sowie vom Erfordernis des „Einfügens“ im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zugunsten des Wohnungsbaus
  8. Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Mietin Wohnungseigentum (§ 250 BauGB neu)
  9. Umgestaltung der Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung in bloße Orientierungswerte zwecks Erleichterung der Nachverdichtung
  10. Maßnahmen zur ausreichenden Versorgung mit Grün und Freiflächen
  11. Stärkung des flächendeckenden Mobilfunkausbaus
  12. Berücksichtigung der E-Mobilität.


Sektoraler Bebauungsplan Wohnen

Um die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen, wird ein neuer Typus des sektoralen Bebauungsplans eingeführt (§ 9 Abs. 2d BauGB neu). Dieser ermöglicht den Gemeinden, auch im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) Festsetzungen zu treffen, welche sich thematisch auf Wohnflächen und den sozialen Wohnungsbau beschränken. Im Übrigen würde sich die Zulässigkeit eines Vorhabens weiterhin nach den Kriterien des § 34 BauGB richten. Ob die Neueinführung dieses sektoralen Bebauungsplans ein geeignetes Mittel zur Sicherung und/oder Schaffung bezahlbaren Wohnraumes darstellt, soll zunächst getestet werden. Verfahren zur Aufstellung des sektoralen Bebauungsplans müssen daher bis zum 31.12.2024 förmlich eingeleitet und bis spätestens 31.12.2026 abgeschlossen sein.

Stärkung kommunaler Vorkaufsrechte

Die kommunalen Vorkaufsrechte werden erweitert. Dies soll die Bereitstellung von Bauland erleichtern.

Künftig dient explizit die Deckung des Wohnbedarfs dem Allgemeinwohl und kann daher die Ausübung des Vorkaufrechts rechtfertigen (§ 24 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BauGB neu). Außerdem wird das allgemeine Vorkaufsrecht in vorwiegend mit Wohngebäuden bebauten Gebieten auf (geringfügig) bebaute Grundstücke erweitert und gilt nicht mehr nur für unbebaute Grundstücke (§ 24 Abs. 1 Nr. 6 BauGB neu).

Außerdem wird ein neues besonderes Vorkaufsrecht an geringfügig bebauten oder brachliegenden Grundstücken eingeführt, die für Wohnbebauung geeignet sind (§ 25 Abs.  1 Nr. 3 BauGB neu). Voraussetzung für das besondere Vorkaufsrecht ist, dass das Grundstück in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Dieser Begriff ist neu und wird nun in verschiedenen Neuregelungen verwendet. Der Begriff wird im neuen § 201a BauGB legal definiert.

Nach § 201a BauGB ist der Wohnungsmarkt angespannt, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn in einem Gebiet

  • die Mieten deutlich stärker ansteigen als im Bundesdurchschnitt,
  • die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
  • die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
  • geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Für alle Vorkaufsrechte wird die Ausübungsfrist verlängert, auf nunmehr drei Monate statt wie bisher zwei Monate (§ 28 Abs. 2. S. 1 BauGB neu).

Baupflicht?

In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt können Gemeinden, wenn im Bebauungsplan Wohnnutzungen zugelassen sind, Grundstückseigentümer durch Bescheid verpflichten, innerhalb einer zu bestimmenden Frist ihr Grundstück mit einer oder mehreren Wohneinheiten zu bebauen (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 BauGB neu).

Bei wirtschaftliche Unzumutbarkeit ist, wie bislang, von einem Baugebot abzusehen. Das neue Baugebot kann außerdem aus besonderen persönlichen Gründen abgewendet werden. Macht der Eigentümer glaubhaft, dass ihm die Erfüllung des Baugebotes wegen eines Eingriffs in die Entscheidungsbefugnisse seines Ehegatten oder eines in gerader Linie Verwandten über die Grundstücksnutzung nicht zuzumuten ist, hat die Gemeinde für die Dauer von fünf Jahren ab Inkrafttreten der Vorschrift vom Erlass eines Baugebots abzusehen.

Baulückenschließung

Neues Instrument der Innenentwicklung sind künftig städtebauliche Konzepte, die die Gemeinden beschließen können (§ 176a BauGB neu). Sie dienen entweder der Schließung von Baulücken auch bei unzusammenhängend im Gemeindegebiet verteilten Grundstücken oder der Entwicklung und baulichen Nutzbarmachung ungenutzter Grundstücke. Städtebauliche Entwicklungskonzepte sollen auch zur Begründung von Baugeboten herangezogen werden können.

Mehr Baufreiheit

Eine Befreiung von den Festsetzungen im Bebauungsplan ist bisher nur unter den engen Voraussetzungen des §  31 Abs. 2 BauGB zulässig. Die Erteilung einer Befreiung ist ausgeschlossen, wenn von den Grundzügen der Planung abgewichen wird. Zugunsten des Wohnungsbaus sieht der Gesetzentwurf nun eine erleichterte Befreiungsmöglichkeit vor: Künftig kann in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zugunsten des Wohnungsbaus und mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall ausnahmsweise auch dann eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt werden, wenn Grundzüge der Planung berührt werden (§ 31 Abs. 3 BauGB neu). Voraussetzung bleibt aber, dass das Vorhaben, auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen, mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss. Diese Regelung ist bis zum 31.12.2024 befristet. 

Im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) muss sich jedes Vorhaben in die Umgebungsbebauung einfügen. Vom Erfordernis des Einfügens kann bereits jetzt im Einzelfall zugunsten einer Wohnbebauung abgewichen werden (§ 34 Abs. 3a S. 1 Nr. 1b und c BauGB). Durch eine Ergänzung soll diese Abweichung künftig nicht mehr nur im Einzelfall, sondern in „mehreren vergleichbaren Fällen“ zulässig sein (§ 34 Abs. 3a S. 3 BauGB neu), stets unter der Voraussetzung, dass die Vorhaben Wohnzwecken dienen und die Abweichung städtebaulich vertretbar sowie unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die bisherigen Obergrenzen zur Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung (§ 17 BauNVO) sollen künftig in Orientierungswerte umgestaltet werden. Dadurch sollen städtebaulich erforderliche Nachverdichtungen erleichtert und flexibel planerisch umgesetzt werden können.

Genehmigungsvorbehalt bei Umwandlung von Miet- in Wohnungseigentum

Der Gesetzentwurf sieht ein Umwandlungsverbot bzw. einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von bestehenden Miet- in Eigentumswohnungen vor (§ 250 BauGB neu). Wenn Wohnungseigentum oder Teil-eigentum an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, begründet werden soll, bedarf es der Zustimmung einer durch die Landesregierung bestimmten Stelle, also in der Regel der Gemeinden. Voraussetzung ist, dass sich die betroffenen Gebäude in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt befinden. Die Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt werden durch Rechtsverordnung bestimmt. Die Rechtsverordnungen müssen spätestens mit Ablauf des 31.12.2025 wieder außer Kraft treten.

§ 250 BauGB neu enthält zudem einen ganzen Katalog an Fällen, in denen die Genehmigung zu erteilen ist. Das sind u.a. die Veräußerung zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des bisherigen Eigentümers oder an mindestens zwei Drittel der Mieter oder die Eigentumsübertragung an einen Miterben.

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Im Dezember hat der Bundesrat den Gesetzentwurf unterstützt und drängte auf baldige Verabschiedung. Am 28.01.2021 hat der Bundestag in einer ersten Lesung über den Gesetzentwurf debattiert. Wann genau mit einer Verabschiedung zu rechnen ist, steht noch nicht fest.

 

 

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