Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und immissionsschutzrechtlicher Verordnungen
Am 09.07.2024 ist das „Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ (sog. BImSchG-Novelle) in Kraft getreten. Die im Bundesgesetzblatt Nr. 225 vom 3. Juli 2024 verkündete Gesetzesnovelle finden Sie hier.
Durch die Novelle werden das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) sowie weitere Verordnungen wie die Störfall-Verordnung geändert. Der Schwerpunkt liegt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien-Anlagen (EE-Anlagen) und von Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff sowie auf der Beschleunigung und Digitalisierung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren. Die Neuerungen des Genehmigungsverfahrens werden nachfolgend dargestellt. Die Änderungen zu Windenergieanlagen finden Sie in unserem gesonderten Beitrag.
Klima als Schutzgut
Mit der Novelle wird „klarstellend“ das Klima als Schutzgut in das Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgenommen. Für das Genehmigungsverfahren hat diese Ergänzung keine Bedeutung. Dazu bedürfte es einer Konkretisierung dieses Schutzguts etwa durch Rechtsverordnungen, wovon der Gesetzgeber abgesehen hat.
Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens
Die Digitalisierung wird in eingeschränktem Umfang sowohl für die Antragstellung als auch für einzelne Verfahrensschritte eingeführt. Auf eine größer angelegte Digitalisierung wird vorerst verzichtet.
Die Novelle führt die elektronische Antragstellung ein. Der Antragsteller hat jetzt nicht mehr die Wahl, ob er seinen Genehmigungsantrag in Papierform oder elektronisch stellt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Zeit der Aktenordner vorbei ist. Denn nach wie vor kann die Genehmigungsbehörde verlangen, dass die Antragsunterlagen in Papierform übermittelt werden, wenn eine Bearbeitung anders nicht möglich ist (§ 10 Abs. 1 BImSchG n.F.).
Die Auslegung der Antragsunterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt nun zwingend im Internet. Eine wichtige Einschränkung im Interesse der Vorhabenträger gibt es jedoch: der Antragsteller kann der Veröffentlichung im Internet widersprechen, soweit er die Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder wichtiger Sicherheitsbelange befürchtet (§ 10 Abs. 3 BImSchG n.F.). In diesem Fall muss die Behörde eine andere Form der Veröffentlichung wählen (§ 10 Abs. 1 der 9. BImSchV). Gleiches gilt für die Auslegung des Genehmigungsbescheids im Rahmen der öffentlichen Bekanntmachung (§ 10 Abs. 8 BImSchG) oder im störfallrechtlichen Genehmigungsverfahren (§ 18 Abs. 3 S. 1 StörfallV).
Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
Zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren sieht die Novelle eine Vielzahl von Maßnahmen vor, zum Beispiel:
„Strengere“ Genehmigungsfristen
Die Genehmigungsbehörde hat über den Antrag schon nach bisher geltendem Recht gem. § 10 Abs. 6a BImSchG innerhalb einer Frist von sieben Monaten und im vereinfachten Verfahren innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. Diese Genehmigungsfrist kann nunmehr nur noch einmal für maximal drei Monate verlängert werden und das auch nur aus bestimmten Gründen (§ 10 Abs. 6a BImSchG n.F.). Eine Fristverlängerung ist entweder wegen der Schwierigkeit der Prüfung möglich oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind. Eine weitere Fristverlängerung bedarf der Zustimmung des Antragstellers.
Vollständigkeit der Antragsunterlagen
Die Bestätigung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen durch die Genehmigungsbehörde (Vollständigkeitserklärung) hat im Genehmigungsverfahren eine besondere Bedeutung. Sie setzt das weitere Verfahren wie die öffentliche Bekanntmachung des Verfahrens sowie die Genehmigungsfristen in Gang. In der Praxis wird die Vollständigkeitserklärung häufig mit Hinweis auf angeblich fehlende Antragsunterlagen hinausgezögert. Dem versucht der Verordnungsgeber mit neuen Regelungen in der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) gegenzusteuern. Die Genehmigungsfrist beginnt jetzt nicht erst, wenn die Genehmigungsbehörde dem Antragsteller die Vollständigkeit der Antragsunterlagen bestätigt hat, sondern bereits dann, wenn die Prüfungsfrist der Genehmigungsbehörde abgelaufen ist (§ 7 Abs. 1 S. 4 der 9. BImSchV n.F.). Im Ergebnis beginnt damit die Genehmigungsfrist für die Behörde einen Monat nach Eingang der Antragsunterlagen bzw. 2 Wochen später, wenn sie diese Frist im begründeten Ausnahmefall um 2 Wochen verlängert hat. Sind die Antragsunterlagen unvollständig und hat die Genehmigungsbehörde den Antragsteller aufgefordert, den Antrag oder die Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen, beginnt Genehmigungsfrist mit Eingang der nachgeforderten Unterlagen bei der Genehmigungsbehörde.
Neu ist, dass der Begriff der „Vollständigkeit der Unterlagen“ in § 7 Abs. 2 BImSchG n.F. ausdrücklich definiert wird. Inhaltlich ändert sich dadurch nichts, da die gesetzliche Definition der bisherigen Rechtsprechung entspricht. Im Grundsatz sind die Antragsunterlagen vollständig, wenn diese prüffähig sind und die Genehmigungsbehörde in der Lage ist, die Genehmigungsvoraussetzungen näher zu prüfen. Ausdrücklich stehen fachliche Einwände und Nachfragen der Vollständigkeit nicht zwingend entgegen.
Behördenbeteiligung
Im Rahmen der Behördenbeteiligung haben die Fachbehörden zum beantragten Vorhaben Stellung zu nehmen, soweit ihr Aufgabenbereich von dem Vorhaben berührt ist, bspw. die Bauämter oder die Naturschutzbehörden. Für ihre Stellungnahme haben sie einen Monat Zeit; diese Frist wurde in das Bundes-Immissionsschutzgesetz übernommen. Die Annahme, dass sich die Fachbehörde nicht äußern möchte, wenn sie binnen der Monatsfrist keine Stellungnahme abgibt, gilt jetzt generell, also nicht mehr nur für EE-Anlagen (§ 10 Abs. 5 S. 3 BImSchG n.F.). Neu ist die Möglichkeit der zu beteiligenden Fachbehörden, schriftlich um eine einmalige Verlängerung der Stellungnahmefrist um einen weiteren Monat zu bitten. Eine solche Verlängerung ist allerdings nicht möglich, wenn Gegenstand des Genehmigungsverfahrens EE-Anlagen sowie Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien (grüner Wasserstoff) ist.
Das Problem, dass ohne die Stellungnahme der Fachbehörde die Genehmigungsvoraussetzungen nicht geprüft werden können, löst der Gesetzgeber damit, dass die Genehmigungsbehörde „zu Lasten“ der Fachbehörde ein Sachverständigengutachten einholen kann. Alternativ kann die Genehmigungsbehörde selbst Stellung nehmen (§ 10 Abs. 5 S. 3 BImSchG n.F.). Wie realitätsnah diese Alternativen sind, steht auf einem anderen Blatt. Die Genehmigungsbehörden werden zögern, auf Kosten der Fachbehörde ein Gutachten einzuholen, zumal die Einholung eines Gutachtens keinen zeitlichen Vorteil bringen dürfte. Eine eigene Stellungnahme setzt wiederum Fachkompetenz zu einer Genehmigungsvoraussetzung voraus, die den Aufgabenbereich einer anderen Fachbehörde betrifft. Im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung könnte möglicherweise die neue gesetzliche Vorgabe effektiver sein, dass die Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 5 S. 8 BImSchG n.F. gehalten ist, ihre Aufsichtsbehörde über jede Überschreitung von Fristen durch die beteiligten Fachbehörden zu informieren. Allerdings ist die Aufsichtsbehörde nicht unbedingt gegenüber der Fachbehörde weisungsbefugt.
Erörterungstermin kein Regelfall mehr
Der Erörterungstermin soll nur noch stattfinden, wenn der Vorhabenträger die Durchführung eines Erörterungstermins beantragt oder die Genehmigungsbehörde die Durchführung im Einzelfall für geboten hält (§ 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 der 9. BImSchV n.F.). Bei einer Vielzahl von Anlagen für Erneuerbare Energien soll auf den Erörterungstermin sogar ganz verzichtet werden. Wenn ein Erörterungstermin stattfindet, ist dieser innerhalb von vier Wochen durchzuführen (§ 16 Abs. 1 S. 2 der 9. BImSchV n.F.). Die Regelungen aus der Covid-19-Pandemie (vgl. Planungssicherstellungsgesetz) werden übernommen: der Erörterungstermin kann in Form einer Onlinekonsultation oder als Video- oder Telefonkonferenz stattfinden.
Projektmanager
Mit der Gesetzesnovelle wird nun der Projektmanager auch in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren eingeführt (§ 2b der 9. BImSchV n.F.). Zu seinen Aufgaben gehören u.a. die Vorbereitung und die Durchführung der Verfahrensschritte. Die Kosten hat der Vorhabenträger zu tragen.
Zustimmung von Fachbehörden
Ist gesetzlich die Zustimmung einer Fachbehörde zum Vorhaben notwendig, muss der Antrag zurückgewiesen werden, wenn die Zustimmung verweigert wird. Bspw. müssen die Luftfahrtbehörden der Errichtung von Bauwerken wie z.B. Windenergieanlagen zustimmen, wenn diese in der weiteren Umgebung eines Flughafens Höhenbegrenzungen überschreiten. Im Interesse einer zügigen Entscheidungsfindung muss der Antragsteller nun Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten, wenn die Fachbehörde ankündigt, die Zustimmung zu verweigern (§ 10 Abs. 5 S. 9 BImSchG n.F.). Damit soll gesetzlich ein unmittelbarer Austausch zwischen Antragsteller und Fachbehörde etabliert werden, ohne Umweg über die Genehmigungsbehörde.
Vorzeitiger Beginn
Die Beantragung des vorzeitigen Beginns eines Vorhabens nach § 8a BImSchG ist ein bewährtes Mittel, die Realisierung von Projekten zu beschleunigen. Diese Möglichkeit wird nun erleichtert. Für Vorhaben auf einem bereits bestehenden Standort sowie im Fall einer Änderungsgenehmigung muss keine Prognoseentscheidung mehr über die Genehmigungsfähigkeit des Antrags insgesamt getroffen werden (§ 8a Abs. 1 S. 2 BImSchG). Diese Vereinfachung bedeutet aber nicht, dass für die beabsichtigten vorläufigen Maßnahmen die inhaltlichen Anforderungen nicht mehr gelten (§ 8a Abs. 1 S. 3 BImSchG). Diese dürfen nach wie vor der Zulassung des vorzeitigen Beginns nicht entgegenstehen.