Nun hatte das BAG über die Frage zu entscheiden, ob auch die verspätete Anzeige einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann. Die Vorinstanz hatte geurteilt, eine verspätete Anzeige sei für den Arbeitgeber weniger gravierend, da ihn das Nichterscheinen im Fall der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit nicht unvorbereitet treffe, weshalb die verhaltensbedingte Kündigung im Regelfall nicht gerechtfertigt sei.
Der Kläger war bei der Beklagten langjährig als Lagerist beschäftigt. Seit Juli 2016 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Er verletzte wiederholt seine Anzeigepflichten. Auch nach einer wiederholten Abmahnung durch den Arbeitgeber änderte er sein Verhalten nicht. Im August 2017 endete die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit an einem Freitag, der Arbeitnehmer übergab aber erst am darauffolgenden Montag seine Folgebescheinigung an den Pförtner, der diese am Folgetag an den Vorgesetzten weiterleitete. Daraufhin sprach der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung aus. Das LAG Baden-Württemberg gab der Kündigungsschutzklage statt, weil es „nur“ um eine Folgeerkrankung gegangen sei.
Das BAG stellt klar, dass auch die schuldhafte Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Fortdauer einer Arbeitsunfähigkeit eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigten kann. Die Anzeigepflicht soll den Arbeitgeber in die Lage versetzen, sich auf das Fehlen eines Arbeitnehmers möglichst früh einstellen zu können. Dieses Bedürfnis bestehe auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit unvermindert fort. Erfolge die Anzeige nicht unverzüglich, so sei das Dispositionsinteresse des Arbeitgebers nicht generell weniger stark verletzt als die verspätete Anzeige des erstmaligen Eintritts der Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitgeber könne grundsätzlich darauf vertrauen, der Arbeitnehmer werde seine Arbeit nach Ablauf der mitgeteilten Dauer der Arbeitsunfähigkeit wieder aufnehmen.
Das Verfahren wurde zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen.