Gängige Regelung zur Vertragsstrafe bei Einheitspreisverträgen unwirksam!

Fachbeitrag
Immobilienwirtschaftsrecht

Sachverhalt

Nach einer auf Einheitspreisen basierenden Ausschreibung des Auftraggebers schlossen die Parteien einen Einheitspreisvertrag miteinander über die Erschließung von Hausanschlüssen mit Glasfaserkabeln. Die Vertragsbedingungen sahen eine Fertigstellung der Arbeiten bis Ende November 2017 vor. Die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) des Auftraggebers enthielten zudem eine Vertragsstrafenvereinbarung, nach der der Auftragnehmer für eine schuldhafte Überschreitung verbindlicher Vertragsfristen für jeden Werktag des Verzuges eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,2 % der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer verwirkt. Die Vertragsstrafe war auf einen Höchstbetrag in Höhe von 5 % der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme begrenzt. 

Der Auftragnehmer stellte die Arbeiten erst im August und damit ca. 8 Monate nach dem vereinbarten Fertigstellungstermin fertig. Sodann stellte der Auftragnehmer seine nach den Einheitspreisen ermittelte Vergütung in Rechnung. Der Auftraggeber zahlte den Werklohn mit Ausnahme eines Betrages, den er als Vertragsstrafe geltend macht. Mit der Klage hat der Auftragnehmer dann die Zahlung dieses von dem Auftraggeber einbehaltenen Betrages verlangt. 

Entscheidung des BGH (Urteil vom 15.02.2024, VII ZR 42/22)

Der BGH gibt dem Auftragnehmer Recht und erklärt die streitgegenständliche Vertragsstrafenregelung für unwirksam! Die Klausel halte bei einer Verwendung durch den Auftraggeber einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB nicht stand. Sie sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. 

Dies begründet der BGH damit, dass bei der gebotenen verwenderfeindlichen Auslegung der Regelung Sachverhalte denkbar seien, in denen die Höchstgrenze für Vertragsstrafen (5 % der Abrechnungssumme) überschritten werden würde. Dies folgt daraus, dass im Zeitpunkt der schriftlichen Auftragserteilung bei einem Einheitspreisvertrag nur eine vorläufige Auftragssumme feststeht. Bei der finalen Auftragssumme werden dann die Mengen und Massen nach dem tatsächlichen Verbrauch berechnet. Diese finale Summe könne jedoch deutlich unter der ursprünglich vereinbarten Auftragssumme liegen, wenn es während der Ausführung der Bauleistungen zu Mengenminderungen kommt. In diesen Fällen, in denen die tatsächliche Abrechnungssumme die vorläufige Auftragssumme unterschreitet, liege dann eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers, da insoweit die in der Rechtsprechung des BGH entwickelte Höchstgrenze für Vertragsstrafen in Höhe von 5 % der Abrechnungssumme überschritten wird. 

Praxistipp

Überprüfung bestehender Einheitspreisverträge und Anpassung von Vertragsmustern erforderlich!

Von dem Urteil des BGH dürfte eine Vielzahl von Einheitspreisverträgen betroffen sein, da es die Regel darstellt, dass in diesen an die vorläufige Auftragssumme angeknüpft wird. Da insbesondere öffentliche Aufträge gemäß § 7 VOB/A im Regelfall als Einheitspreisverträge ausgeschrieben und vergeben werden, ist bei diesen Verträgen ein besonderes Augenmerk auf die bei den Vertragsstrafen verwendeten Formulierung zu achten. Hinzukommt bei öffentlichen Aufträgen zudem, dass das Vergabehandbuch des Bundes die Verwendung der vom Bundesgerichtshof nun als unwirksam erklärten Vertragsklausel bisher empfohlen hat. 

Sowohl öffentliche als auch private Auftraggeber von Bauleistungen sollten in Anbetracht der in diesem Beitrag näher beleuchteten Entscheidung daher zunächst ihre Vertragsmuster auf die Verwendung der vom BGH als unwirksam erachteten Klausel prüfen. 

Bei noch nicht geschlossenen Einheitspreisverträgen sollte der Auftraggeber zudem die Vertragsstrafe auf 5 % der tatsächlichen Auftragssumme begrenzen. 

Schließlich ist bei bereits geschlossenen Einheitspreisverträgen, bei denen die unwirksame Klausel verwendet worden ist, den Auftraggebern zu empfehlen, vor der Geltendmachung der Vertragsstrafe Abstand zu nehmen. Soweit von Auftraggebern bereits Vertragsstrafen geltend gemacht worden sind, ist zu prüfen, ob insoweit Rückforderungen seitens der Auftragnehmer geltend gemacht werden können. 

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