BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17; BGH, Urteil vom 27.09.2018 – VII ZR 45/17; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.10.2018 – 24 U 194/17; OLG Koblenz, Urteil vom 29.11.2018 – 1 U 679/18

Fiktive Mangelbeseitigungskosten – Ja, Nein, Vielleicht?

Fachbeitrag
Immobilienwirtschaftsrecht

Bereits in unserer Update- Ausgabe vom März 2018 haben wir über die Grundsatzentscheidung des VII. Zivilsenats des BGH zu der Ersatzfähigkeit fiktiver Mangelbeseitigungskosten berichtet (BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17). In der Folgezeit sind weitere Entscheidungen zu dem Thema „fiktive Mangelbeseitigungskosten“ sowohl des BGH, als auch des OLG Düsseldorf und des OLG Koblenz ergangen, die außerordentlich praxisrelevant sind.

BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17:

Zunächst sei nochmal an den Inhalt der Leitsatzentscheidung des BGH vom 22.02.2018 erinnert: In der vorgenannten Entscheidung nimmt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Schadensberechnung beim sogenannten „kleinen Schadensersatz“ im Werkvertragsrecht Abstand. Bisher konnte der Besteller für den Fall, dass er den Mangel nicht beseitigen lässt, im Rahmen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gegen den Unternehmer seinen Schaden anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten berechnen. An dieser Rechtsprechung hält der BGH für ab dem 01.01.2002 geschlossene Werkverträge nicht mehr fest. Zur Begründung führte der BGH aus, dass der Mangel zunächst nur ein Leistungsdefizit ist, weil das Werk hinter der geschuldeten Leistung zurückbleibt. Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten bildet das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht aber auch bei wertender Betrachtung nicht zutreffend ab.

Vielmehr führt diese Art der Schadensberechnung häufig zu einer Überkompensation und somit zu einer mit dem Schadensrecht nicht zu vereinbarenden Bereicherung des Bestellers. Dies insbesondere deshalb, weil der Mangelbeseitigungsaufwand nicht selten die Vergütung übersteigt. Lässt der Besteller den Mangel nicht beseitigen, so ist im Rahmen des „kleinen Schadensersatzes“ der Schaden unter Heranziehung der Grundsätze des Minderungsrechts zu bemessen. Der mangelbedingte Minderwert des Werkes stellt den ersatzpflichtigen Schaden dar.

BGH, Urteil vom 27.09.2018 – VII ZR 45/17:

In der nachfolgend ergangenen Entscheidung des BGH vom 27.09.2018 nimmt der VII. Zivilsenat Stellung zu der Beurteilung von Altverträgen, d.h. solche Werkverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sind. Der BGH führt in der vorgenannten Entscheidung aus, dass die neue Rechtsprechung, wonach im Verhältnis vom Besteller zum Architekten/ Ingenieur hinsichtlich der von diesem zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, der Schadensersatzanspruch nicht in Höhe der fiktiven Kosten für die Beseitigung der Mängel am Bauwerk zu bemessen ist, auf vor dem 01.01.2002 geschlossene Verträge keine Anwendung findet.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass es im Verhältnis zum Architekten nicht um die Bemessung des Mangelschadens geht, weil der Architekt nicht die Errichtung des Bauwerks selbst schuldet. Mängel des Architektenwerks sind nur Defizite in der Planung und Überwachung. Für die Schadensersatzhaftung des Ingenieurs gilt entsprechendes.

Der BGH hat im Rahmen des zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Schuldrechts das Schadensersatzrecht für Ansprüche gegen den Architekten als auch gegen den Unternehmer neu gestaltet und harmonisiert. Diese neue Rechtsprechung kann aber nicht auf vor dem 01.01.2002 geschlossene Verträge angewandt werden, weil eine entsprechende Neugestaltung und Harmonisierung auf der Grundlage des alten Schuldrechts nicht möglich ist. Hier bleibt es also dabei, dass die fiktiven Mangelbeseitigungskosten weiterhin geltend gemacht werden können.

Übertragung der Rechtsprechung auf das Kaufrecht? OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.10.2018 – 24 U 194/17; OLG Koblenz, Urteil vom 29.11.2018 – 1 U 679/18:

In seiner Entscheidung vom 09.10.2018 führt das OLG Düsseldorf hierzu aus, dass es trotz der Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH vom 22.02.2018 im Kaufrecht bei dem Recht des Käufers verbleibt, fiktive Mangelbeseitigungskosten im Rahmen des „kleinen Schadenserdsatzes“ geltend machen zu können. Das OLG begründet seine Entscheidung damit, dass die Änderung der Rechtsprechung zu den fiktiven Mangelbeseitigungskosten auf den Besonderheiten des Werkvertragsrechts beruht. Nach Auffassung des OLG kommt es entscheidend darauf an, dass es im Werkvertragsrecht keines Anspruchs auf Erstattung fiktiver Mangelbeseitigungskosten bedarf, weil der Besteller ein Selbstvornahmerecht gem. §§ 634 Nr. 2. 637 BGB hat und in diesem Rahmen einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten verlangen kann. Eine entsprechende Norm gibt es im Kaufrecht hingegen nicht. Deshalb sollte dem Käufer weiterhin das Recht zustehen, seinen Schaden anhand der fiktiven Mangelbeseitigungskosten bemessen zu können. Ansonsten müsste der Käufer unter Umständen erhebliche Kosten vorfinanzieren, was ihm in Anbetracht des vorangegangenen, meist finanzierten Kaufs der Immobilie tatsächlich gar nicht möglich ist.

Gleichwohl erkennt auch das OLG Düsseldorf die Gefahr, dass es zu einer Überkompensation des Schadens kommen kann.

Das OLG Düsseldorf hat die Revision zum BGH gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Eine abschließende Entscheidung durch den BGH steht somit noch aus.

Das OLG Koblenz hat in seiner Entscheidung vom 29.11.2018 (Gegenstand waren Schadensersatzansprüche aus kaufrechtlichem Gewährleistungsrecht beim Kfz-Kauf) die Frage, ob die Rechtsprechung des BGH zum Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht auch auf das Kaufrecht zu übertragen ist, ausdrücklich offen gelassen, weil es auf diese Rechtsfrage für die Entscheidung in der Sache nicht ankam.

Praxistipp

Nachdem der BGH nun in seiner Grundsatzentscheidung zum Werkvertragsrecht abschließend geklärt hat, dass der Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten nur noch bei Altfällen (solche, denen ein Vertragsschluss vor dem 01.01.2002 zu Grunde liegt) in Betracht kommt, steht eine abschließende Entscheidung im Kaufrecht weiterhin aus. Mit guten Gründen verneint das OLG Düsseldorf eine Übertragung der Rechtsprechung auf das Kaufrecht. Insbesondere das fehlende Selbstvornahmerecht und damit im Zusammenhang stehend, der fehlende Kostenvorschussanspruch, rechtfertigt es, dass im Kaufrecht weiterhin im Rahmen des „kleinen Schadensersatzes“ die fiktiven Mangelbeseitigungskosten geltend gemacht werden können.

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