Beihilferecht - EuGH, Urt. v. 05.03.2019 – C-349/17

EuGH verlangt restriktive Auslegung der AGVO

Fachbeitrag
Kartellrecht, Vergaberecht und Beihilferecht

Der EuGH hat in seinem Grundsatzurteil „Eesti Pagar“ Hinweise zum Umgang mit der AGVO geben. Das Urteil bezieht sich zwar noch auf die alte AGVO, ist jedoch auch auf die aktuelle Fassung der AGVO zu übertragen.

Das estnische Unternehmen Eesti Pagar AS schloss mit einem dritten Unternehmen einen wirksamen Vertrag zum Erwerb einer Brotfertigungslinie und zahlte kurz darauf 5% des Kaufpreises. Zur Finanzierung schloss Eesti Pagar kurz darauf einen Leasingvertrag bei einer Bank ab. Erst im Anschluss daran beantragte Eesti Pagar eine Beihilfe für die Anschaffung und Installation für die Brotfertigungslinie. Die Beihilfestelle gab diesem Antrag statt.

Entscheidung

Beihilfen sind grundsätzlich verboten. Es gibt jedoch bestimmte Gruppen von Freistellungen von diesem Verbot. Diese sind in der Allgemeinen Gruppen Freistellungsverordnung [AGVO] normiert. Diese Gruppen umfassen z.B. Kultur, Sport, Breitbandinfrastrukturen, Forschung und Entwicklung etc. Die AGVO regelt also enge Ausnahmen vom Beihilfeverbot. Die vielen Anforderungen der AGVO sind nötig, um trotz des Ausnahmecharakters eine wirksame Überwachung der Wettbewerbsregeln zu gewährleisten. Die Verwaltungsabläufe werden durch die AGVO vereinfacht und eine höhere Transparenz und Rechtssicherheit kann so erreicht werden. Um eine kohärente Anwendung zu ermöglichen, müssen die AGVO-Voraussetzungen klar und einfach anzuwenden und von sich aus relevant und angemessen sein.

Eine dieser Anforderungen ist der sog. notwendig nachzuweisende Anreizeffekt. Vor Durchführung der Beihilfemaßnahme muss in den meisten Fällen ein Antrag durch den Beihilfeempfänger gestellt werden. Diese Voraussetzung erfüllt die vom EuGH aufgestellten Anforderungen. Eesti Pager hat hiergegen jedoch verstoßen, denn Eesti Pagar ging schon vor Stellung des Beihilfeantrags eine bedingungslose und rechtsverbindliche Verpflichtung ein. Die Voraussetzungen für eine Freistellung waren demnach nicht gegeben und die Beihilfe zugunsten Eesti Pagar war rechtswidrig. Die Beihilfestelle musste demzufolge aus eigener Initiative die rechtswidrige Beihilfe zurückzufordern. Wie lange zurückgefordert werden darf, richtet sich nach der Verjährungsfrist. Diese Verjährungsfrist hängt wiederum davon ab, welche Verfahrensordnung gilt. Wird die Kommission tätig und stellt einen Verstoß fest, gilt die in der Verordnung 2015/1589 normierte Verjährungsfrist von zehn Jahren. Werden die nationalen Behörden tätig, gelten die entsprechenden nationalen Verjährungsfristen. Vorliegend wurde die Beihilfe aus EFRE Mitteln gewährt, sodass hier die Verjährungsfrist der dazugehörigen Verordnung Nr. 2988/95 entsprechend vier Jahre betrug.

Der Umstand, dass die Beihilfestelle die Beihilfe genehmigt hat, führt nicht zu einem Vertrauensschutz zugunsten von Eesti Pagar. Vertrauensschutz kann nämlich nicht gegen eine klare unionsrechtliche Bestimmung angeführt werden. Die Voraussetzungen der AGVO müssen immer klar und einfach sein (s.o.), sodass Vertrauensschutz bei einem AGVO Verstoß von vornherein ausgeschlossen ist.

Praxistipp

Es ist zu hoffen, dass die Kommission die AGVO schnellstens vereinfacht. Es erscheint zweifelhaft, dass die vom EuGH aufgestellten Anforderungen in Sachen Klarheit, Einfachheit, Relevanz und Angemessenheit bei allen AGVO-Voraussetzungen gewahrt sind. Im schlimmsten Fall könnte der EuGH künftig feststellen, dass bei komplexen Voraussetzungen, der Sinn und Zweck der AGVO nicht mehr gegeben sind und die AGVO diesbezüglich auch keine Freistellungswirkung entfaltet. Die Folge wäre eine zurückzufordernde rechtswidrige Beihilfe. Der EuGH empfiehlt der Beihilfestelle „sorgfältig zu prüfen, ob die beantragte Beihilfe sämtliche einschlägigen Voraussetzungen erfüllt, die in dieser Verordnung [AGVO] aufgestellt werden, und den Antrag abzulehnen, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt ist.“ Diese Prüfung sollte entsprechend ausführlich in einem Beihilfevermerk dokumentiert werden. Nur so kann einer etwaigen Überprüfung von Kommission oder Gerichten Stand gehalten werden.

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