Vergaberecht - OLG München, Beschl. v. 25.03.2019 – Verg 10/19

Beurteilungsspielraum des Auftraggebers bei der Gesamtvergabe

Fachbeitrag
Kartellrecht, Vergaberecht und Beihilferecht

Ein Auftraggeber schreibt zur Verbesserung der Sicherheit einer Justizvollzugsanlage (JVA) die Erneuerung von sicherheitstechnisch vielschichtigen Anlagen und Einrichtungen innerhalb der JVA unter laufendem Betrieb aus. In der JVA sind auch besonders gefährliche Personen untergebracht. Die Ausschreibung ist nicht in Lose aufgeteilt, gliedert sich aber in vier Teilaufgabenbereiche (Anstaltsmauer, Sicherheitszaun, Videoüberwachungsanlage und Umrüstung von Türschlössern und Transpondern). Der Auftraggeber fordert die Beherrschung der komplexen Technik und ein Sicherheitsmanagement in homogener und abgestimmter Art und Weise, die Bedienung, Kommunikation und Dokumentation des täglichen Einsatzes ermöglicht. Das OLG München hatte zu entscheiden, ob die Gesamtvergabe zulässig war.

Entscheidung

Die Entscheidung setzt die Entscheidungen des OLG Frankfurt (11 Verg 4/18) und des OLG Düsseldorf (VII Verg 27/09) fort und billigt dem Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Abwägung zugunsten einer Gesamtvergabe zu.

Die los Weise Vergabe ist zwar die Regel und dient damit dem Schutz mittelständischer Interessen. Die Gesamtvergabe kann jedoch im Einzelfall ausnahmsweise vergaberechtlich zulässig sein. Nicht ausreichend dafür ist die bloße Benennung von anerkennenswerten Gründen. Nötig ist im Einzelnen eine Auseinandersetzung mit dem grundsätzlichen Gebot der Fachlosvergabe und den im konkreten Fall dagegensprechenden Gründen. Sodann ist eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange zu treffen und zu dokumentieren.

Hier steht dem Auftraggeber nach Ansicht des OLG München ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, ob – auftragsbezogene – technische oder wirtschaftliche Gründe es erfordern, von der Bildung von Fachlosen abzusehen. Da es sich dabei um komplexe Beurteilungen handeln kann, ist dem Auftraggeber ein entsprechender Spielraum zuzubilligen, der auch die Einschätzung konkreter projektbezogener Risikopotentiale umfasst. Die Entscheidung des Auftraggebers für eine Gesamtlosvergabe ist durch die Nachprüfungsinstanzen nur darauf zu überprüfen, ob sie auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht.

Grundsätzlich vermag ebenso wenig wie ein erhöhter Koordinierungsaufwand die Vermeidung von „Gewährleistungsschnittstellen“ bzw. von Problemen bei der Mängelbeseitigung eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen. Etwas anders gilt jedoch, wenn diese Gründe mit konkret projekt- bzw. auftragsbezogenen Gründen einhergehen. So auch im zu entscheidenden Fall: Um die Sicherheit der JVA zu verbessern, durfte besonderer Wert auf die Systemsicherheit bzw. Verfügbarkeit der Anlage gelegt werden. Die Ausführungen des Auftraggebers erschöpften sich hier nicht in allgemeinen Erwägungen. Er hat vielmehr konkret und projektbezogen dargelegt, dass für Einzelarbeiten der komplexen Sicherheitsanlage keine Fachlose gebildet werden können, ohne die Funktionsweise der Gesamtleistung zu gefährden. Für diese Feststellung bediente der Auftraggeber sich eines Sachverständigen. Die Systemsicherheit der Überwachungsanlage ist ein nachvollziehbarer technischer Grund im Sinne des § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB.

Praxistipp

Auf den ersten Blick scheint das OLG München die Spielräume für Auftraggeber hinsichtlich einer Gesamtvergabe erweitert zu haben. Doch es ist Obacht geboten. Zwar steht den Auftraggebern ein Beurteilungsspielraum zu, die Überprüfung dessen ist jedoch engmaschig. Es müssen – wie im vorliegenden Fall – auftragsspezifische Gründe für eine Gesamtvergabe in der Abwägung überwiegen und dokumentiert werden. Im vorliegenden Fall hat der Auftraggeber zum Nachweis sogar einen Sachverständigen beauftragt. Dieser bestätigte, dass eine los Weise Auftragsvergabe nicht die Sicherheit der JVA gewährleistet hätte. Für die Gesamtvergabe bedarf es also weiter einer sorgfältigen einzelfallbezogenen Interessenabwägung.

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