Personalabbau bei noch freien Arbeitsplätzen im Unternehmen

Fachbeitrag
Arbeitsrecht

Bei einem Personalabbau, bei dem gegebenenfalls zahlreiche Arbeitsverhältnisse beendet werden müssen, kommt es oftmals zu Problemen, weil andererseits im Unternehmen neue Mitarbeiter gesucht werden. Zunächst stellt sich die Frage, inwieweit den vom Personalabbau betroffenen Arbeitnehmern die freien Stellen im Unternehmen angeboten werden müssen. Sodann kommt es oftmals dazu, dass mehr Mitarbeiter vom Personalabbau betroffen sind, als freie Stellen vorhanden sind. Es ist dann zu klären, wem genau die offenen Stellen angeboten werden müssen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem aktuellen Urteil (v. 27.07.2017 – 2 AZR 476/16) zu den aufgeworfenen Fragen Stellung bezogen.

Der Fall

Der Sachverhalt, über den das BAG zu entscheiden hatte, war sicherlich nicht alltäglich. Involviert waren als Beklagte die Streitkräfte des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland. Diese hatten entschieden, eine Dienststelle aufzulösen und eine neue Stelle an einem anderen Standort zu eröffnen. Von der Auflösung betroffen waren unter anderem 34 zivile Arbeitsplätze, auf denen Mitarbeiter (so auch der Kläger) als „bewaffnete Wachmänner“ beschäftigt waren. In der neuen Dienststelle wurden nur noch 17 „bewaffnete Wachmänner“ benötigt. Die Beklagte kündigte allen 34 Mitarbeitern im Wege einer Beendigungskündigung und bot erst zeitlich nachfolgend 17 dieser Mitarbeiter die entsprechenden neuen Stellen in der neuen Dienststelle an.

Der Kläger erhielt kein solches Angebot. Dies begründete die Beklagte im Verfahren einmal damit, dass er für die Stelle gar nicht mehr qualifiziert sei, da ihm die notwendige Waffenerlaubnis entzogen worden sei. Daneben begründete die Beklagte dies damit, dass der Kläger nicht zu den 17 sozial schutzwürdigsten gekündigten Mitarbeitern gehöre. Das BAG hat letztlich der Beklagten Recht gegeben und die Klage abgewiesen.

 

Freie Arbeitsplätze im Unternehmen

Das BAG bestätigt nochmals seine bisherige Rechtsprechung, nach der freie Arbeitsplätze im Unternehmen grundsätzlich dazu führen, dass der Arbeitgeber eine Besetzung dieser Arbeitsplätze mit dem ansonsten von einer Beendigungskündigung betroffenen Arbeitnehmer vor deren Ausspruch prüfen muss. Gibt es einen freien Arbeitsplatz im Unternehmen, den der entsprechende Mitarbeiter besetzen könnte, so ist die Versetzung – wenn möglich durch Ausübung des Direktionsrechts, ansonsten durch Änderungskündigung – vorrangig und eine dennoch ausgesprochene Beendigungskündigung wäre unwirksam. Wichtig ist es jedoch, zu beachten, dass freie Arbeitsplätze im gesamten Unternehmen zu berücksichtigen sind. Es reicht also nicht etwa aus, freie Arbeitsplätze im Betrieb anzubieten, obwohl die Sozialauswahl betriebsbezogen ist. Unerheblich ist dabei, dass ein freier Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb möglicherweise sehr weit entfernt vom Wohnort des Arbeitnehmers liegt. Der Arbeitgeber hat freie Arbeitsplätze anzubieten, soweit diese dem bisherigen Arbeitsplatz gleichwertig sind. Ferner hat er auch geringerwertigere Arbeitsplätze anzubieten. Der Arbeitgeber ist dagegen nicht verpflichtet, einen höherwertigen Arbeitsplatz anzubieten, der frei ist. Man muss also nicht befördern, um eine Kündigung zu verhindern. Das BAG erkennt nur in absoluten Ausnahmefällen an, dass das Angebot zur Besetzung eines freien Arbeitsplatzes im Unternehmen vor Ausspruch einer Beendigungskündigung unterbleiben darf. Auf ein solches Risiko wird sich ein verständiger Arbeitgeber nicht einlassen.

Es gilt daher, im Zweifel immer einen freien Arbeitsplatz anzubieten. und unternehmensrecht Arbeitsrecht 5 Besetzen kann der Arbeitnehmer den freien Arbeitsplatz allerdings nur dann, wenn er hierfür die entsprechende Eignung aufweist. Nicht zwingend notwendig ist, dass er diese Eignung schon aufweist. Eine gewisse Einarbeitungszeit bzw. sogar Umschulung kann dem Arbeitgeber zumutbar sein, was immer auch eine Frage des Einzelfalls ist. Im Fall sah sich der Kläger selbstverständlich trotz der aktuell fehlenden Waffenerlaubnis durchaus als geeignet an, „bewaffneter Wachmann“ zu sein. Das BAG sah es jedoch als nicht hinreichend wahrscheinlich an, dass der Kläger die Waffenerlaubnis in einem zumutbaren Zeitraum tatsächlich erlangen könne. Denn ihm war die Waffenerlaubnis zuvor sogar bereits zwei Mal entzogen worden.

Weniger freie als wegfallende Arbeitsplätze

An sich hätte es das BAG bei diesen Ausführungen bewenden lassen können, da schon deshalb feststand, dass die Kündigung nicht aus diesem Grunde unwirksam sein konnte. Es befasst sich jedoch in der Folge zusätzlich noch mit der Frage, was gewesen wäre, wenn der Kläger doch die Tauglichkeit für einen der freien Arbeitsplätze gehabt hätte. Hierzu führt es zunächst aus, dass in einem Fall, in dem bei einem Personalabbau weniger freie Stellen im Unternehmen vorhanden sind als durch den Personalabbau Arbeitsplätze abgebaut werden, eine Auswahl zwischen den für die Stelle tauglichen Mitarbeitern entsprechend den Grundsätzen zur Sozialauswahl durchzuführen ist. Der Arbeitgeber kann also nicht nach Gutdünken zwischen den an sich von einer Kündigung betroffenen Mitarbeitern auswählen, wem er eine anderweitige freie Stelle im Unternehmen anbietet, sondern muss dies unter Berücksichtigung des Lebensalters, der Betriebszugehörigkeit, etwaiger Unterhaltspflichten und einer etwaigen Schwerbehinderung entscheiden. Geht der Arbeitgeber hierbei korrekt vor, kann er also nicht sämtlichen Mitarbeitern eine Beendigungskündigung übergeben, sondern muss die sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmer durch Versetzung oder Änderungskündigung auf die freien Stellen setzen. Das BAG führt jedoch ausdrücklich aus, dass in einem solchen Fall der Kläger sich auf einen Fehler des Arbeitgebers nicht hätte berufen können, wenn er auch bei einer korrekten Vorgehensweise des Arbeitgebers eine Beendigungskündigung erhalten hätte. So lag der Fall hier.

Die Beklagte hatte nämlich sämtlichen 34 Mitarbeitern eine Beendigungskündigung überreicht und erst danach 17 Mitarbeiter aus diesem Kreis für die offenen neuen Stellen angesprochen. Dies war aber unerheblich, da der Kläger nicht zu den 17 schutzwürdigsten Mitarbeitern der betroffenen 34 Arbeitnehmer zählte. Das BAG sah es auch als unerheblich an, dass einige der 17 Mitarbeiter, die ein Angebot für die neuen Stellen erhalten hatten, dieses abgelehnt hatten. Nach überzeugender Ansicht des BAG ändert dies nichts daran, dass die ursprünglich ausgesprochenen Beendigungskündigungen wirksam gewesen sind. Der Arbeitgeber muss also nicht etwa erst abwarten, wie viele Mitarbeiter das Angebot tatsächlich annehmen und verbleibende offene Stellen vor Ausspruch von Beendigungskündigungen noch den weiteren Mitarbeitern anbieten. Vielmehr darf er davon ausgehen, dass die Mitarbeiter, denen er unter sozialen Gesichtspunkten grundsätzlich das Angebot auf den freien Arbeitsplatz machen muss, diesen auch tatsächlich annehmen. Stellt sich nach Ausspruch der Beendigungskündigungen heraus, dass einige Stellen weiter frei bleiben, bleibt die Wirksamkeit der bereits ausgesprochenen Beendigungskündigungen unberührt. Hiervon betroffenen Mitarbeitern kann allerdings gegebenenfalls ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen.

Praxistipp

Die Entscheidung bringt ein großes Maß an Rechtssicherheit für Arbeitgeber beim Personalabbau. Insbesondere führt das BAG damit seine Rechtsprechung zur bereits vor Jahren vollzogenen Aufgabe der sogenannten Dominotheorie konsequent weiter. Ein Kläger kann sich also nur dann auf Fehler des Arbeitgebers berufen, wenn er bei korrekter Vorgehensweise des Arbeitgebers auch tatsächlich selbst zum Zuge gekommen wäre. Im Fall war es also sogar unschädlich, dass der Arbeitgeber – vielleicht um erst einmal Fakten zu schaffen – sämtlichen Arbeitnehmern gekündigt hatte. Selbstverständlich war damit von vornherein klar, dass die Hälfte der Kündigungen unwirksam sein würde. Dem Arbeitgeber war jedoch durch diese Ansicht des BAG die Möglichkeit gegeben, die unwirksam gekündigten Mitarbeiter durch die nachträglichen Stellenangebote „einzufangen“. Die anderen Mitarbeiter, die von vornherein nicht mit einer Berücksichtigung bei den freien Stellen rechnen konnten, können sich im Kündigungsschutzprozess auf die Fehler des Arbeitgebers 6 nicht berufen. ihnen bleibt allenfalls darauf zu hoffen, dass ein an sich zu berücksichtigender Mitarbeiter das Stellenangebot des Arbeitgebers ausschlägt. Denn dann kann ihnen ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen, wenn sich dies noch im laufe ihrer Kündigungsfrist ergibt.

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