§ 566 Abs. 1 BGB (analog) und die Auswirkungen auf die Transaktionspraxis

Fachbeitrag
Immobilienwirtschaftsrecht

§ 566 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) statuiert den Grundsatz „Kauf bricht Miete nicht“. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Schutzvorschrift zu Gunsten des Mieters. Denn § 566 Abs.1 BGB verwirklicht – bezogen auf bestehende Mietverhältnisse – einen Bestandsschutz, indem es den neuen Eigentümer in die Mietverträge eintreten lässt. Damit treffen den neuen Eigentümer grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie den ursprünglichen Vermieter. Der Anwendungsbereich des § 566 Abs. 1 BGB geht über den Wortlaut – der sich nur auf Wohnraummietverhältnisse bezieht – hinaus und erfasst durch die Verweisungsnorm des § 578 Abs. 1 BGB alle Raum- und Grundstücksmietverhältnisse, mithin auch die praktisch besonders wichtigen Gewerberaummietverhältnisse. Dem Wortlaut nach findet der Übergang der Mietverhältnisse auf den Erwerber aber grundsätzlich nur dann statt, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ gegeben sind: Zunächst müssen der Veräußerer (Eigentümer) und der Vermieter identisch sein (Personenidentität). Zudem muss die Veräußerung zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der jeweilige Mieter bereits die tatsächliche Sachherrschaft über die Mietsache ausübt.

Die Relevanz des § 566 Abs. 1 BGB für die Transaktionspraxis

Auch im Rahmen von Grundstückstransaktionen, deren Ziel im Erwerb oder der Veräußerung von vermieteten Immobilien besteht, ist die Regelung des § 566 Abs. 1 BGB von Relevanz. Ausgangspunkt der Überlegungen ist dabei, dass das Bestehen einer festen Mieterstruktur und der Übergang der Mietverhältnisse maßgeblich den Kaufpreis bestimmen. Denn aus den Mietverhältnissen generiert der Erwerber gerade den „Cashflow“. Hieraus folgt die zentrale wirtschaftliche Bedeutung des Mietvertrages für das Immobilieninvestment. Deshalb muss bei der Prüfung der Mietverträge im Rahmen einer Due Diligence stets sorgfältig geprüft werden, ob bereits durch die Veräußerung der Immobilie die Mietverhältnisse auf den Erwerber nach § 566 Abs. 1 BGB übergehen oder es einer gesonderten Konstruktion zur Übernahme bedarf.

Problemstellung – keine Personenidentität zwischen Veräußerer und Erwerber

Nicht selten kommt es vor, dass der Veräußerer zwar Eigentümer der betreffenden Immobilie ist, gleichwohl die Mietverträge auf Vermieterseite jedoch nicht durch den Eigentümer selbst, sondern durch eine Verwaltungsgesellschaft abgeschlossen worden sind. In diesem Fall stellt sich das Problem, dass – anders als für die Anwendbarkeit des § 566 Abs. 1 BGB vorausgesetzt – eine Identität zwischen Veräußerer und Vermieter gerade nicht gegeben ist. Dieses Problem und die zugehörige Frage der (analogen) Anwendbarkeit des § 566 Abs. 1 BGB auf diese Fälle, hatte die jüngst ergangene Entscheidung des XII Senats des BGH zum Gegenstand (vgl. BGH, Urteil v. 12.07.2017 – XII ZR 26/16). In der vorgenannten Entscheidung mietete der Beklagte Gewerberäume von der A-GmbH. Eigentümerin der Immobilie war im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die B-GmbH. Die Klägerin erwarb von der B-GmbH das Eigentum an der streitgegenständlichen Immobilie und nahm den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Mietsache in Anspruch. Dabei vertrat sie die Auffassung, dass sie an die vertraglich vereinbarte Laufzeit des Mietverhältnisses von 5 Jahren nicht gebunden sei, weil dieses aufgrund der Personenverschiedenheit von Veräußerer und Vermieter nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB auf sie übergegangen wäre.

Nach Auffassung des BGH genügt es hier für die Annahme einer Personenidentität nicht, dass möglicherweise eine rechtliche Verflechtung beider Gesellschaften besteht. Allerdings erklärt der BGH in seiner Entscheidung die Regelung 10 des § 566 Abs. 1 BGB in analoger Form für anwendbar, macht dies jedoch von dem Vorliegen strenger Voraussetzungen abhängig. Zwei Voraussetzungen müssen gegeben sein: Zum einen muss die Vermietung des veräußerten Grundstücks mit Zustimmung des Eigentümers in dessen alleinigen wirtschaftlichen Interesse erfolgen. Zum anderen darf der tatsächliche Vermieter kein Eigeninteresse am Fortbestand des Mietverhältnisses haben. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine „Vermieter-GmbH“ nur aus „strategischen Gründen“ ins Leben gerufen worden ist, diese nur verwaltend tätig wird und der Veräußerer die Mietverträge so behandelt, als seien diese von ihm selbst abgeschlossen worden. Nur dann kann man von einer vergleichbaren Interessenlage ausgehen, die es rechtfertigt, § 566 Abs. 1 BGB analog anzuwenden.

 

Praxistipp

Folgen für die Abwicklung einer Transaktion

Im Rahmen der Abwicklung einer Transaktion ist zunächst genau zu überprüfen ist, ob die Voraussetzungen der Rechtsprechung vorliegen, die eine analoge Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB ermöglichen. gleichzeitig sind rechtssicherere Handlungsalternativen zu erwägen, um der Gefahr zu entgegnen, dass die aufgezeigten Voraussetzungen der analogen Anwendbarkeit des § 566 Abs. 1 BGB im jeweiligen Fall nicht gegeben oder zumindest nicht nachweisbar sind. es besteht daher das latente Risiko, dass die Mietverhältnisse – anders als gewünscht – nicht auf den Erwerber übergehen. Denkbar ist es deshalb, einen Übergang der Mietverhältnisse durch eine Vertragsübernahme seitens des Erwerbers unter Zustimmung der Mieter zu bewirken. Darüber hinaus kommen auch umstrukturierungsmaßnahmen mit Blick auf den Kaufgegenstand in Betracht. So kann auch die „Vermieter-gesellschaft“ im Wege eines share-deals erworben werden, um einen Übergang der Mietverhältnisse zu gewährleisten.

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