Im April 2025 ist der neue § 273a ZPO in Kraft getreten. Unternehmen werden hierdurch neue Möglichkeiten eröffnet, im Rahmen von Zivilprozessen auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse hinzuwirken. Mit der neuen Regelung wird der bislang eng begrenzte Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) auf sämtliche Zivilprozesse erweitert.
Handlungsbedarf infolge bestehender Schutzlücken
Vor Einführung des § 273a ZPO war der Anwendungsbereich des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) nur dann eröffnet, wenn ein Zivilprozess gerade den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zum Gegenstand hatte, also beispielsweise Ansprüche eines Unternehmens gegen einen früheren Mitarbeiter wegen der Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht wurden. Das Gesetz schützte die Parteien jedoch nicht davor, dass Geschäftsgeheimnisse im Rahmen der Prozessführung ,,beiläufig‘‘ zutage treten. Zwar bestand bereits nach alter Rechtslage gem. §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 S. 1 GVG die Möglichkeit, zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bei Gerichtsverhandlungen die Öffentlichkeit auszuschließen und anwesende Personen zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Der hierdurch vermittelte Schutz ist jedoch aus mehreren Gründen unzureichend:
§ 172 Nr. 2 GVG setzt zunächst eine Abwägungsentscheidung voraus: Demnach kann die Öffentlichkeit dann ausgeschlossen werden, wenn das Individualinteresse an der Geheimhaltung eines Geschäftsgeheimnisses im Einzelfall die Bedeutung des Öffentlichkeitsgrundsatzes überwiegt. Wie die Abwägungsentscheidung des Gerichts im Einzelfall ausfällt, ist mitunter schwer vorhersehbar.
Auch wird dem Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses regelmäßig nicht nur daran gelegen sein, dass das Geschäftsgeheimnis nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Vielmehr gilt es aus seiner Sicht auch zu verhindern, dass ein anderes Unternehmen das Geschäftsgeheimnis für sich nutzt, um hierdurch wirtschaftliche Erfolge auf seine Kosten zu erzielen.
Hinzu kommt, dass sensible Informationen gerade in Zivilprozessen regelmäßig nicht erst in der mündlichen Verhandlung erörtert werden, sondern zuvor Gegenstand von Schriftsätzen sind bzw. durch Beweisantritt zutage treten. Mit Blick auf den in vorbereitenden Schriftsätzen zu leistenden Sachvortrag bzw. Beweisantritte waren Unternehmen somit im ungünstigsten Fall vor die Wahl gestellt, entweder den Prozesserfolg durch Zurückhalten von Informationen zu gefährden oder das Geschäftsgeheimnis trotz unzureichender Schutzmechanismen preiszugeben.
Neue Schutzmöglichkeiten durch § 273a ZPO iVm den Regelungen des GeschGehG
Durch die neue Regelung des § 273a ZPO, welche auch auf bereits anhängige Verfahren Anwendung findet, wird der Anwendungsbereich des GeschGehG auf sämtliche Zivilverfahren ausgeweitet. Gem. § 273a ZPO kann das Gericht auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nr. 1 GeschGehG sein können.
Ein Geschäftsgeheimnis iSd § 2 Nr. 1 GeschGehG ist eine Information, die nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist, zu deren Schutz der Inhaber angemessene Maßnahmen getroffen hat und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht.
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss der Antragsteller gem. § 20 Abs. 3 GeschGehG glaubhaft machen – ausreichend ist also, dass deren Vorliegen aus Sicht des Gerichts überwiegend wahrscheinlich erscheint.
Folgt das Gericht dem Antrag, die entsprechende Information als geheimhaltungsbedürftig einzustufen, so sind die §§ 16-20 GeschGehG entsprechend anwendbar. Dies hat gem. § 16 Abs. 2 GeschGehG zunächst zur Folge, dass sämtliche Personen, die an dem Verfahren beteiligt sind oder Zugang zu Verfahrensdokumenten haben, verpflichtet sind, die geheimhaltungsbedürftigen Informationen, welche sie im Rahmen des Verfahrens erlangt haben, vertraulich zu behandeln. Ferner dürfen die genannten Personen entsprechende Informationen nicht außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nutzen. So ist es den Verfahrensbeteiligten beispielsweise untersagt, das Geschäftsgeheimnis wirtschaftlich zu verwerten oder zu Kunden der gegnerischen Partei Kontakt aufzunehmen, die auf einer als Geschäftsgeheimnis geschützten Kundenliste aufgeführt sind. Bei Zuwiderhandlungen kann das Gericht gem. § 17 S. 1 GeschGehG ein Ordnungsgeld bis zu 100 000 Euro oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festsetzen.
Die Einstufung einer Information als geheimhaltungsbedürftig hat zudem nicht nur Auswirkungen auf die Verfahrensbeteiligten. Auch ein Zugriff Dritter auf die schutzwürdigen Informationen wird verhindert, da § 16 Abs. 3 GeschGehG vorsieht, dass im Falle einer Akteneinsicht geheimhaltungsbedürftige Informationen zu schwärzen sind.
Unter den strengeren Voraussetzungen des § 273a ZPO iVm § 19 Abs. 1 S. 1, 2 GeschGehG, die unter anderem eine umfassende Interessenabwägung beinhalten, kann das Gericht auch Personen aus dem Kreis der Parteien vom Zugang zu Dokumenten und von der mündlichen Verhandlung ausschließen, um so die Zahl der Personen, die mit dem Geschäftsgeheimnis in Berührung kommen, nochmals zu verringern. Wie sich aus § 273a ZPO iVm § 19 Abs. 1 S. 3 GeschGehG ergibt, müssen von jeder Partei aber weiterhin mindestens eine natürliche Person und ihre Prozessvertreter bzw. sonstigen Vertreter Zugang zu den geheimhaltungsbedürftigen Informationen erhalten. Wenn das Gericht Beschränkungen gem. § 19 Abs. 1 S. 1 GeschGehG trifft, kann gem. §19 Abs. 2 Nr. 1 GeschGehG zudem die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden.